Hans Zimmer wird immer mal wieder als bester Soundtrackkomponist der Filmgeschichte bezeichnet, sein umfassendes Werk und der Einfluss seiner Musik auf andere Komponisten als Beleg angeführt. Dieser Einschätzung schließe ich mich allerdings nicht an, denn sie wird oft aus dem Bauch heraus getroffen und würde einer objektiven Einschätzung niemals standhalten. Man höre sich einfach mal durch die Werke Ennio Morricones, Joe Hisaishis, Erich Korngolds oder John Williams’. Doch ich möchte keine unnötige Diskussion über Geschmack, Konsistenz oder Technik entfachen.
Ein Blick auf die Titelliste lässt zudem schrecklickes erahnen: Mit Lindsay Stirling (prinzipiell eine Dubstep-Vanessa-Mae), The Piano Guys oder 2Cellos finden sich gleich drei Vertreter der Popchartsklassik, einer seltsam-alternativen, klassisch angehauchten Parallelwelt kommerzieller Musik. Interessant hingegen die Beteiligung von Lang Lang, Tina Guo oder Khatia Buniatishvili – Musikern also, die auch in der klassischen Musik für Aufsehen sorgen. Ein guter Grund, dem Album – und somit auch Hans Zimmer – eine Chance zu geben.
Trotz aller Kritik an der Arbeitsweise Zimmers überzeugt er mich immer wieder durch seine Hingabe zur Musik, der Verwendung modernster Technik und seiner sympathischen Art. Fehlendes musiktheoretisches Wissen wird durch harte Arbeit und große Gefühle ersetzt, was er selbst nicht beherrscht, übernehmen Ghostwriter/Arrangeure. Ein durchaus interessantes Vorgehen. Die Begeisterung, die er der Musik entgegenbringt, findet man selten im Business und seinen Einfluss auf heutige Scores sollten man nicht unterschätzen. Was Hans Zimmer schreibt, wird (wie früher bei Morricone oder Williams) hundertfach kopiert und einige Soundtracks dürfen durchaus als Meisterwerke benannt werden. Zudem zählt er zu den wenigen Komponisten, denen die CD-Präsentation am Herzen liegt und so wird der Hörer eher mit Suiten als Stückwerk konfrontiert.
Auch die Verwendung von Computerorchestern wurde durch ihn vorangetrieben – ein Segen für Komponisten, denen der Zugriff/das Geld für ein echtes Orchester fehlt – ein Fluch für die Filmindustrie. Wie oft hört man Soundtracks, deren Orchester (trotz erheblichem Budgets) aus dem Computer kommt (und oft nicht einmal realistisch programmiert wurden)?
The Classics war nun Anlass, sich intensiver mit Hans Zimmers Musik zu befassen. The Dark Knight Rises: Main Theme eröffnet das Album. Lindsey Stirling zeigt, dass sie ihre Violine bedienen kann, der Soundtrack, der mich noch vor Jahren wenig zu begeistern wusste (Elfmans Musik war noch zu monolithisch), überzeugt auf ganzer Linie und steht doch stellvertretend für alles, was Zimmer richtig und falsch macht. Prinzipiell könnte man von einer gewissen strukturellen Ähnlichkeit zu Don Davis’ Matrix Soundtrack sprechen, denn beide Komponisten verwenden ein 2 Akkordthema, das durch ein interessantes Arrangement zum Leben erwacht. Die einfache Komposition überrascht mit durchdachtem Sounddesign, die Violine bereichert die Komposition.
Batmans Struktur hingegen findet man über die gesamte CD verteilt. Treibende Staccati, wuchtige Bläser, Strukturen der Minimal Music. Ausnahmen wie etwa Theme From Pirates Of The Carribean (die Piano Guys gehen hier etwas unter) oder auch eine großartige Pianoversion von Gladiator: The Battle Scene, die Khatia Buniatishvilis Fähigkeiten unterstreicht (und die Piano Guys auf ihre Plätze verweist) sind selten, zeigen aber eine interessante Wandelbarkeit. Der Pirates Soundtrack gehört übrigens zu den Streitpunkten unter Soundtrackfans. Vom präsentierten Thema abgesehen ignoriert der Soundtrack die Genrekonventionen völlig und könnte in jedem beliebigen Actionfilm verwendet werden. Die maritime Brillanz eines Korngolds oder Debneys wird ´von einigen Kritikern immer wieder bemängelt – andere lieben die Musik. Ich gehöre/gehörte zu unterschiedlichen Zeiten beiden Seiten an.
Weiterhin überzeugt auch der sonst problematische (wenn auch wunderbar hörbare und durch seine Orgelsounds interessante) Interstellar Soundtrack, hier durch das von Fans schmerzlich vermisste The Docking Scene vertreten. Leider wurde die Orgel etwas zu sehr in den Hintergrund gemischt. Was übrigens die 2Cellos mit Inception: Mombasa anstellen – oder wie gut sich Leona Lewis in Gladiator: Now We Are Free schlägt – man ist positiv überrascht.
Alles in allem eignet sich Hans Zimmer – The Classics vor allem für jene Hörer, die sich einen Überblick verschaffen wollen, denn mit Crimson Tide, The Lion King, Gladiator oder The Thin Red Line wurden viele wichtige Meilensteine in seinem Werk abgedeckt. Die meisten Versionen überzeugen in der Neubearbeitung, einzig der Mix erscheint hin und wieder etwas matschig zu sein (was allerdings auch an der teils wuchtigen Struktur der Musik liegen mag). Für Dark Knight, The Battle Scene und The Docking Scene lohnt sich bereits der Kauf.
Erschienen bei Sony.
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.