Wenn man ein paar Jahre bloggt, verändert sich manche Gewohnheit. Kategorien schwinden (weil sie z.B. nicht gelesen werden), musikalische Vorlieben ändern sich etc. Manchmal fehlt es auch einfach an Zeit, um bestimmte Gewohnheiten fortzuführen (Julians Plattenkiste), was auch ich als Autor etwas betrauere. Und so bildet sich mit der Zeit ein Muster heraus, dem man mehr und mehr folgt. So bewertete ich in den letzten Monaten vermehrt Re-Releases von alten Alben und neue Platten von Lieblingsbands. DIe Talentsuche geriet etwas ins Hintertreffen, was nicht heißt, dass ich meine Neugier verloren hätte. So stöbere ich jeden Monat mindestens einmal in einem Plattenladen und stelle mit bei einem kleineren Onlinemusikhändler ein monatliches CD-Paket zusammen.
Diesen Monat machte ich dabei eine großartige Entdeckung: Matthew E. White, jener Big-Band-Zauberer, der mit Big Inner ein überragendes Album veröffentlichte, hat einen neuen Schützling und produziert die wunderbare Nathalie Prass. Einigen Lesern, die noch traditionell fernsehen (so wie ich) und sich nicht auf Netflix und Co stützen dürfte sie bereits aus dem Werbespot eines bekannten Ferienwohnungsanbieters bekannt vorkommen, der ihren wunderbaren Song It is you verwendet. Ich selbst hielt ihn übrigens für ein Stück aus den 1960er Jahren, war also umso überraschter, als ich durch Zufall auf das Album stieß.
Natalie Prass gelingt es dabei, zusammen mit White, aus diversen Einflüssen etwas völlig eigenes zu kreieren. Einen Sound, der mit Streichern, Flöten und Bläsern angereichert wird und ihre einzigartige Stimme gekonnt unterstreicht. Hören wir uns z.B. Bird of Prey an.
Während das Video an einen Benetton Werbespot der 1990er Jahre erinnert (vom obligatorischen Skandal abgesehen), bewegt sich der Sound irgendwo zwischen der coolness einer Susan Christy (noch so ein Tipp) – man denke an Paint a Lady mit seinem entspannten Groove -, einem Burt Bacharach Song und Dusty Springfields Sessions für das Atlantic Label von, gesungen allerdings von einer Disney Prinzessin. Oder Christy: Ein trauriger Song mit großartiger Melodie, der in Liveversion leider ohne das grandiose Arrangement Matthew E. Whites auskommen muss, der ihren Gesang von einem Streicherensemble und einer Harfe begleiten lässt.
Wieder andere Stücke überraschen vor allem durch den geschickten Einsatz der Bläser. Wer von Standardarrangements gelangweilt ist, sollte sich einmal Your Fool oder Reprise anhören. Reinste Magie! Natalie Prass überzeugt aber nicht nur ob ihrer großartigen Band – auch ihr Talent als Texterin sollte nicht überhört werden. Nannte ich noch Disney-Prinzessin als Vergleich (den ich mir übrigens bei Rob Vegas geborgt habe, auf dessen Blog ich während der Recherche stieß), so handelt es sich doch eher um eine jener Prinzessinnen, die in der Liebe eher weniger Glück hatten.
Natalie Prass besitzt definitiv Potential, um mit ihrer Musik eine größere Hörerschaft anzusprechen. Selbstredend nicht den Plastik-Mainstream. Wer jedoch an Julee Cruise, Matthew E. White oder den genannten Referenzkünstlern erfreut, findet in ihre seine neue beste Freundin.
Erschienen bei Spacebomb. Website von Natalie Prass.
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.