Demon’s Eye kennen einige Leser sehr wahrscheinlich als ziemlich großartige Deep-Purple-Coverband, die immer wieder mit verschiedenen Sängern auftritt (Doogie White, David Readman) und der sogar schon die Ehre zu Teil wurde, mit Jon Lord und Ian Paice aufzutreten. Erst 13 Jahre nach Bandgründung begann man, zusammen mit Ex-Rainbow-Sänger Doogie White, eine CD mit Eigenkompositionen aufzunehmen (The Stranger Within). Diese kam anscheinend gut an und so entschied man sich, ein weiteres Album aufzunehmen.

Coverband, die sich dafür entscheiden, eigene Songs im Stil ihre Vorbilder aufzunehmen, nennt man auch gerne Klonbands. So existieren im Progressive Rock beispielsweise jede Menge Genesis Klone, deren Sänger irgendwie nach Peter Gabriel klingen (oder klingen sollen). Ich berichtete z.B. über The Watch. Das große Problem dieser Bands: soundtechnisch stimmt meist alles, doch der geniale Funke springt nicht über. The Watch machen z.B. auf technischer Seite alles richtig, doch die Stücke bleiben nicht hängen, sie kopieren Phrasen und schaffen dabei keine bzw. kaum Ohrwürmer. Einige der wenigen Ausnahmen war der verstorbene Shaun Guerin, dessen Soloalben nicht nur nach Peter Gabriels Genesis klangen, sondern auch noch eingängige Stücke enthielten. Demon’s Eye widmen sich jedoch Deep Purple. Nicht minder problematisch, denn ich muss gestehen, dass ich die Band zwar sehr mag – besonders die Rod Evans Jahre (so, jetzt ist es raus), aber auch die Meinung vertrete, dass ihre drei besten Alben Deep Purple, In Rock und das Concerto waren. Spätere Alben konnten entweder die Liveenergie nicht befriedigend einfangen oder wirkten bruchstückhaft, wenig geschlossen (ich spreche hier ausschließlich von der Blackmore/Lord-Phase). Dennoch fanden sich natürlich immer wieder außergewöhnliche Stücke, doch gefielen die Livealben immer besser als das Ausgangsmaterial.
Demon’s Eye gelingt es nun jedoch nicht nur, den Stil von Deep Purple (und i.Ü. auch Rainbow) extrem gut zu kopieren (Gitarrensolo auf Welcome To My World), ihre Stücke sind darüber hinaus sehr eingängig. Alles bleibt in Erinnerung, könnte auch als Purple-Original durchgehen. Doogie White veredelt die ausgezeichneten Songs mit expressivem Gesang und klingt eben nicht nach Evans oder Ian Gillian, setzt hier seine eigenen Akzente. Man höre sich z.B. das großartige Fallen Angel an, der auch auf instrumentaler Seite (ab 2:48, Höhepunkt 3:20) seine Hörer aus den Socken haut. Und jetzt kommt der Punkt, an dem ich mich bei Purple Fans womöglich sehr unbeliebt mache: Under The Neon stellt für mich das beste Deep-Purple-Album seit In Rock dar. Es existiert keinerlei Füllmaterial, die Liveenergie wurde kongenial eingefangen und Demon’s Eye beweisen, dass sie im Klonsegment zu jenen wenigen Bands gehören, denen (natürlich vor allem dank ihrer Erfahrung als Coverband) eine eigene, unabhängige Zukunft bevorstehen könnte. Der Retrorock-Markt boomt derzeit, Bands wie Blood Ceremony, Kadavar oder Blues Pills sind teilweise längst im Mainstream angekommen – warum sollte es dann nicht auch eine Band von diesem Format gelingen, international erfolgreich zu sein? Man wünscht es ihnen aus vollstem Herzen, denn Under The Neon lässt den hardrockverrückten 16-jährigen Jungen wieder auferstehen, der in Rainbow, Deep Purple und auch Jethro Tull eine Musikrichtung fand, die anspruchsvoll und eingängig war und den Grundstein für eine lebenslange Liebe zum Metal legen sollten. Eine ganz große Empfehlung aus der diekopfhoerer Redaktion!
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.