Über die Chaosmacherin bin ich erneut auf eine Blogparade gestoßen. Frau Margarete fragt, welche Serien man besonders mag, die nicht aus den USA oder England kommen. Puh, vorerst klingt das natürlich ziemlich schwer.
Aber dann kam der Geistesblitz. Bevor Serien so wurden, wie wir sie heute kennen, schauten wir sie noch mit ganz anderen Maßstäben. Storybögen waren eher selten (klar, es gab Twin Peaks), jede Folge stand für sich. Wenn es mal eine Doppelfolge gab oder MacGyver immer gegen den selben Schurken zu kämpfen hatte, war das bereits ziemlich toll. Meist wurde auch recht günstig produziert, Ausnahmen wie Die Abenteuer des jungen Indiana Jones waren rar.
Neben der Story gab es aber noch einen großen Unterschied. Als Serienschauspieler war es beinahe unmöglich, zum Kinostar aufzusteigen. Der Weg aus der Serienwelt sah ungf. so aus: Erfolgsserien, TV-Filme … und wenn das alles gut lief, ging es ins Kino. Einmal. Doch wehe, man scheiterte. Umgekehrt war das natürlich ähnlich. Wer kein Kassenerfolg war, wer zickte oder sonst irgendwie Probleme bereitete, stieg ab, strandet in einer Serie. Und heute? Clare Danes, Kiefer Sutherland, Kevin Costner etc. etc. machen Serien. Gute Serien. Und es hat ihren Karrieren nicht geschadet.
Zudem fällt auf, dass Deutschland sind serientechnisch zurückentwickelt hat. Früher gab es hier sehr gute Sachen. So z.B. die Bockreiter, Die Schatzinsel etc. Oft waren das Weihnachtsserien. Die wurden dann irgendwann nicht mehr gemacht, man wollte es wohl wiederbeleben, doch die ehemaligem Schöpfer lehnten die neuen Vorstellungen der Produzenten (Tiere, die Dummheiten machen) ab.
Rückblickend gab es eine Menge wirklich schöner Serien, die nicht aus den USA oder GB stammten. Hier nun meine Favoriten, ohne Ranking.
1. Grisu der kleine Drache (I, 1975)
Papa Fumé hat ein Problem: Sein Sohn will Feuerwehrmann werden. Doch Drachen löschen kein Feuer, sie legen welches. Die Idee ist so wunderbar dadaistisch, sie kann nur aus Italien oder Frankreich stammen. Als Kind bin ich früh morgens aufgestanden und habe die Serie immer geschaut. Es handelt sich dabei um eine extrem kinderfreundliche Serie, an die ich gerne zurückdenke.
2. Augsburger Puppenkiste (D, 1953 – 1997)
Eigentlich ja eher eine Produktionsstätte. Es gab verschiedene Serien, von denen mir besonders Urmel, Schlupp, Katze mit Hut und Sams gefiel. Da steckt so viel Liebe zum Detail drin und es hat meine gesamte Grundschulzeit abgedeckt. Neulich wurde das mal teilweise wiederholt. War richtig gut.
3. Hallo Spencer (D, 1979 – 2001)
“Wuuhaa! Ich bin Poldi, der schönste Jungdrache der Welt und ich werde dir fressen!” Spencer ist so ne Art Nachrichtensprecher, teilt sich sein Büro mit Elvis, der mit den Zwillingen ein Verhältnis hat. Weitere Kollegen sind die Quitschboys. Poldi und Nepomuk sind miteinander befreundet – Poldi wohnt im Krater, Nepomuk in einem Schloss. Vor dem Schloss steht ein Baum, hier lebt Kasimier, der Nepomuk nervt. Lexi, der Dorfintellektuelle, lebt in einem Pilz. Ab und zu kommt die helfende Außerirdische Galaktika, vom fernen Stern Andromeda und manchmal folgt ihr heimlich ein Teufel. Umrahmt wird das ganze von Knetmännchen. Wurde irgendwann leider sehr schlecht. Die ersten Staffeln? Bombe.
4. Es war einmal … das Leben (F, 1987)
Franzosen haben Mut. Der Vorspann beginnt mit stilisiertem Sex, dazu die Zeilen: “Spürst du es in dir?” Die Handlung ist kurz erzählt. Ein alter Zottel führt den Zuschauer durch den menschlichen Körper, erklärt Funktionen und Krankheiten. Blut etc. ist anthropomorph, also vermenschlicht. Ziemlich abgefahren.
5. Hals über Kopf (D, 1986 – 1990)
Sowas gibt’s heute nicht mehr. Völlig abgefahren. Eltern streiten sich, Kinder laufen weg. Sie treffen Polizeiobermeister Hund (wie Katze!), die Wurzels – lauter obskure Typen. Irgendwann merken die Eltern, dass die Kinder fehlen, man sucht und findet sich. Irre. Die Geschichte ist in jeder Folge absolut identisch. Und dann gabs da noch Isabell Varells Titellied.
Aber so irre wie “Die wunderbaren Abenteuer des Herman Van Veen” (lohnt sich fast noch mehr) war die Sache dann doch nicht. Da lebt ein Holländer mit seinen Kumpels und seiner Frau in einer fliegenden Mühle und er hat die Fähigkeit, Bilder zu betreten.
6. Piggeldy und Frederick (D, 1973 – ?)
Zwei Schweine. Eins alt, eins jung. Das junge fragt das alte Schwein, was XYZ ist. Man geht wandern und findet die Antwort. Einfach, philosophisch, dadaistisch.
7. Tim und Struppi (CDN/F, 1991 – 1993)
Muss man nichts zu sagen. 1:1 Comicumsetzung. Manchmal etwas steif, aber immer wieder gut.
8. Janoschs Traumstunde (D, 1985 – 1989)
Kennt ihr Janosch? Kleiner Tiger und kleiner Bär? Popov und Pietzke? Vor Jahren gab’s da eine Serie zu. Mit einem Zottelvieh, dass immer wahnsinnig mies gelaunt war und anmoderierte, dazu die Geschichten von Janosch. Erst vor Tagen auf DVD entdeckt. Wirklich gut.
9. Desmodus der Vampir (F, 200?)
Joan Sfarr ist in Frankreich ein großer Star. Comiczeichner, Autor, Regisseur. Seine Comicreihe Vampir gehört zu den besten Comics überhaupt. Hochphilosophisch, tief in der jüdischen Mythologie verwurzelt und urkomisch. Der Vampir hat nämlich die Probleme eines Nerds. Grandios. Desmodus ist quasi die Kinderversion. Der kleine Vampir leidet darunter, nicht in die Schule zu dürfen und keine Freunde zu haben.
10. Timm Thaler (D, 1979)
Buchadaption, wer kennt sie nicht? Timm Thaler verkauft sein Lachen an den Teufel, bereut das natürlich und versucht dann, sein Lachen zurückzugewinnen. Dabei geht er auf eine lange Reise. Sehr gut gemacht. Kinderserien hatten früher ein ganz anderes Niveu, alles wirkte so international. Da steckte viel Hingabe drin und die Musik war funky, einfach großartig. Ebenbürtig zu Robbie, Tobbi und das Fliewatüüt.
11. Cafe Skandal
Eine Jugendserie. Mit Brigitte Mira. Es geht um Schüler, die ein neues Konzept für ihre Schülerzeitung entwickeln, gemeinsam ihre Freizeit verbringen und aktiv Dinge verändern wollen. Teilweise waren die Folgen sehr aktuell (S-Bahn-Surfen).
12. Irgendwie und Sowieso (D, 1986)
Von Franz Xaver Bogner, mit Ottfried Fischer, Olivia Pascal und Elmar Wepper. Es ist 1968, doch man lebt im tiefsten Bayern. Man ist jung, will Veränderung, scheitert aber an der harten Realität der noch sehr konservativen Bevölkerung. Ein ganz großer Wurf der deutschen Serienlandschaft. Damals topaktuell kann man es auch heute noch als realistisches Abbild der Zeit sehen. Und Olivia Pascal war irre hübsch (hat auch in Vanessa – fängt dort an, wo Emanuelle aufhört – und Die Säge des Todes mitgewirkt).
13. Edel und Stark (D, 2002 – 2005)
Die einzig wirklich gute Sat 1 Comedyserie. Anwalt Felix Edel ist das Gegenteil von Anwältin Sandra Stark. Natürlich funkt es zwischen den beiden. Irgendwie. Highlight der Serie sind nicht nur die grandiosen Fälle, die abgerehten Typen (Otto Özdemir, die Richter), sondern auch die durchweg hohe Qualität der Gags. Kann man immer wieder schauen, wird nie langweilig.
14. Kommisarin Lund (DNK, 2007 – 2012)
Ein Mordfall in Kopenhagen wird in 20 Tagen/einer Staffel aufgeklärt. Gutes Konzept, spannende Story, gute Schauspielerin. Vergleichbar mit Varg Veum – Der Wolf, nur viel besser, weil konsequent hochwertig. Dänische Serien sind eben doch ziemlich gut.
15. Freunde fürs Leben (D, 1992 – 2001)
Eine Vorabendserie. Zugegeben, ich stehe auf brutalen Trash. Traumschiff, Kreuzfahrt ins Glück – gib mir ein paar Bier dazu und lass es mich mit meinem Vater schauen und wir kommen aus dem Lachen nicht mehr heraus. Das hat Tradition. Gerne auch Pilcher (“Ja, ich war verliebt, es war ein verlorener Sommer”, “Endlich kehrt das Glück wieder ein, in Foxroad Castle”). Wer beide Serien + Making Of übersteht, hat gewonnen.
Freunde fürs Leben hingegen war sogar gut gemacht. 3 Ärzte (Kinderarzt, Allgemeinmediziner, Gynäkologe) beerben eine Praxis in Lübeck. Damals aktuelle Themen treffen auf teils gute Theaterschauspieler und eine zeittypische Produktion. Gab’s vor einiger Zeit im Nachtprogramm, hat sich gut gehalten.
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.