Konzeptalben und Orchesteradaptionen bzw. das Zusammenspiel von Rockmusikern und klassischen Orchestern haben eine lange Tradition in der Geschichte der populären Musik. Ob Rick Wakeman, Deep Purples Jon Lord, Luis Bacalovs + The New Trollz, Mike Oldfield, Electric Light Orchestra oder auch The Who: Immer wieder werden Konzeptalben entweder direkt mit Orchestern aufgenommen – oder bei großem Erfolg mit einem klassischen Orchester aufgeführt. Immer wieder stehen diese Aufnahmen, teilweise zu Recht, in der Kritik. Entweder überflüssig (Oldfields Orchestral Tubular Bells) oder schlecht umgesetzt (The Whos Orchestral Tommy) – Adaptionen sind oft von minderer Qualität, bedienen kitschige Muster oder drifen ins Easy Listening ab. Besonders problematisch: das Schlagzeug. Wenn alles stimmt – hier scheitern die meisten Projekte. Ausnahmen gibt es natürlich – auch unter den bereits genannten Projekten – immer wieder. Man denke z.B. an Lords Neuaufnahme, die Low/Heroes Symphony von Philip Glass, ELO oder die New Trollz.
Auch The Who haben, was unsinnige Adaptionen angeht, eine kleine, aber prägende Geschichte. Wir erinnern uns an die klassische Adaption von Tommy mit Gaststars, den Soundtrack zum Ken Russell Film (Russel gehört zu meinen Lieblingsregisseuren, seine Adaption von Tommy hingegen … wir schweigen) oder Tommy Das Musical. Als Classic Quadrophenia angekündigt wurde, rief es bei mir keine Begeisterungsstürme hervor. Quadrophenia war für mich immer ein heiliger Gral, der symphonisch war, ohne auf ein Orchester zu setzen, der von großartigem Gesang und noch großartigeren Schlagzeugpassagen lebte. Dass klassische Sänger nicht die besten Rockinterpreten sind, ist bekannt, das Problem mit dem Schlagzeug sprach ich bereits an. Und was macht die Arrangeurin Rachel Fuller? Sie brilliert. Sänger Alfie Boe macht seine Sache richtig gut, interpretiert die Gesangslinien neu, versucht erst gar nicht, Rockstar zu sein. Sämtliche Perkussion gehört zum klassischen Orchester dazu – Fuller verzichtet aus den genannten Gründen auf einen externen Schlagzeuger. Den Rhythmus verteilt sie auf orchestertypische Instrumente und es funktioniert. Auch ein Chor ist zu hören, jedoch sparsam und immer in den richtigen Momenten. Immer wieder wird Wagner zitiert (grundsätzlicher Anspieltipp: Doctor Jimmy), niemals versucht man, das Orchester zu etwas zu machen, was es nicht ist. Selbst die Gaststars, die das Oratorium bereichern (und der Aufnahme etwas Opernflair verleihen), sind mit Billy Idol und Phil Daniels (spielte im Quadrophenia Film den Protagonisten) gut gewählt. Zwar kann Daniels nicht singen, doch sein Gesangspart wird nicht überstrapaziert, bleibt singulär. Billy Idol fällt nicht weiter auf. Was Fuller, Ziegler und Townsend aus Quadrophenia machen, kann sich mehr als hören lassen. Ein Siegeszug der klassischen Rockinterpretation. Weder beliebig noch allzu sperrig (wir denken an Peter Gabriel…) – das Arrangement stimmt. Classic Quadrophenia vermittelt den Geist des Originalalbums, ist sich aber bewusst, dass das Endergebnis ein klassisches sein soll. Adaptionen wie diese sollte es viel häufiger geben.
Erschienen bei Deutsche Grammophon.
Hinweis: Alle Artikel wurden mir von der entsprechenden Plattenfirma / dem entsprechenden Verlag bzw. Verleih zwecks Rezension kostenlos zu Verfügung gestellt. Die Rezensionen sind demnach als Werbung zu betrachten. Werbung: Wenn dir der Artikel gefällt, wirst du mein Buch lieben: The Beach Boys - Pet Sounds
Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.