Kacey Musgraves – Pageant Material

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Als Kacey Musgraves 2014 Grammys für das beste Country Album und den besten Country Song gewann, staunte ich nicht schlecht. Zwar höre ich durchaus regelmäßig neue Musik aus diesem in Europa eher belächelten Segment, doch die junge Sängerin aus Texas war mir bisher nicht untergekommen und so saß ich einige Wochen später erstaunt in meinem Sessel und hörte ein unfassbar gutes Album, eines, das den Grammy tatsächlich verdient hat. Nun fragt man sich nach so einem sowohl lyrisch als auch musikalisch großartigen Majordebüt (zuvor hatte sie bereits einige Indiealben herausgebracht, die aber so gut wie niemand wirklich kennt): Wie kann so ein gelungenes Album getoppt werden?

Photocredit by Universal Music.
Photocredit by Universal Music.

Pageant Material beantwortet nun diese Frage. Nach einem ersten Schock – Country Outfitters präsentierte den neuen Song Family is Family, dessen lyrische Qualitäten nicht unbedingt überzeugen – dann überwältigende Erleichterung: Ja, Kacey Musgraves gelingt es tatsächlich, ihr Debüt zu übertreffen. So darf man hier durchaus von einem der besten Alben des Mainstreamcountry sprechen. Eingängige Melodien die sich auch mit europäische Ohren vertragen, tiefgründige Texte (z.B. Pageant Material und Biscuits) und eine nahezu perfekte Produktion lassen das Album lange Zeit in der Stereoanlage verweilen, nur um es bei verschiedensten Autofahrten für kurze Zeit zu entführen. Musgraves vertritt dabei ein neues, modernes Bild des oft als eher konservativ gekenzeichneten Genres. Ganz im Sinne Willie Nelsons (der sich hier übrigens in einem Hidden Track als Duettpartner findet) drehen sich die Songs um freie Entscheidungen (“I ain’t exactly Ms. Congenial / Sometimes I talk before I think, I try to fake it but I can’t / I’d rather lose for what I am than win for what I ain’t” – Pageant Material), Bruch und gleichzeitige Bewahrung der Traditionen (man schaue sich das Musikvideo zu Biscuits an), Marihuana (“It’s high time / To slow my roll / Let the grass just grow and lean way back / It’s a fine time / To let it it all go / I’ve been too low, so it’s high time” – High Times) und auch Liebe in all ihren Facetten. Das lyrische Niveau ist hoch, lediglich das bereits erwähnte Family Is Family stört, dank schlechter Reime (“‘Em” auf “‘Em”, “Money” auf “Money”, “Married” auf “Remarried”)  das positive Bild.. Und obwohl Musgraves sehr progressive Züge trägt, gerät sie nie zur Missionarin. Wenn z.B. Biscuits Kritik an mitmenschen anprangert, so geschieht dies immer sympathisch, ohne belehrenden Unterton und erinnert an ihren Hit Follow Your Arrow, wo bereits Zeilen wie “Make lots of noise / Kiss lots of boys / Or kiss lots of girls / If that’s something you’re into / When the straight and narrow / Gets a little too straight / Roll up a joint, or don’t / Just follow your arrow / Wherever it points” zur unbedingten freien Entscheidung aufriefen.

Besonders schön gestaltet sich auch Kacey Musgraves Homage an Bobby Gentry: This Town zeigt deutliche Parrallelen zum 1967er Hit Ode To Billie Joe, wenn etwa Streicherarrangements, Gitarren und Schlagzeugpassagen entlehnt werden. Dennoch handelt es sich bei dem Song um ein erkennbar eigenes Werk. Mit Pageant Material gelingt es Kacey Musgraves sich als Musikerin zu festigen. Sie zeigt gekonnt, wie Country heute klingen sollte, distanziert sich dabei aber deutlich von Kolleginnen wie Taylor Swift (die wir übrigens wirklich mögen) und bleibt, so scheint es zumindest, ihrem eigenen Stil treu. Ob nun optisch oder musikalisch: You get what you get.

Erschienen bei Mercury.

Hinweis: Alle Artikel wurden mir von der entsprechenden Plattenfirma / dem entsprechenden Verlag bzw. Verleih zwecks Rezension kostenlos zu Verfügung gestellt. Die Rezensionen sind demnach als Werbung zu betrachten.
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