Zugegeben: Wäre da nicht dieses unfassbar schöne Albencover, welches Lotus Thief für Rervm anfertigen ließen, eine schwarz-weiße Zeichnung einer antiken Szene, die den beschworenen Lotusdieb bei der Arbeit zeigt – wir wären wohl nie auf das vorzügliche Album aufmerksam geworden. Wir sind dem Metal zwar durchaus zugetan, Stichwort Doom und Retro, mit Black Metal und seiner Szene hingegen konnten wir bisher wenig anfangen. Zwar verstehen wir indes, welche Funktion Growls, Screams und Double-Kick-Drum haben, das Konzept hinter der Musik erscheint logisch, doch zu befremdlich, um sich intensiver darauf einzulassen. Lotus Thief hingegen gehören zu den Bands die, man muss erwähnen, nur partiell zum Black Metal zählen. Sie sind (auch in lyrischer Hinsicht) für die Szene, was Yes für den Rock waren: Sie erweitern das Klangspektrum um progressive Klänge, arbeiten einige Elemente heraus, die zuvor unter einer Schicht musikalischer Brutalität unterzugehen drohte, und befinden sich somit in einer emotionalen Verwandtschaft zum ehemaligen Opeth-Sound. Ob Postrock, Psychedelic, Doom oder Klassik – Multiinstrumentalistin/Sängerin Bezaelith und Schlagzeuger Otrebor arbeiten wie ein Schwamm, der alles in sich aufsaugt. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei der wunderbare Klargesang Bezaeliths, der durch geschickt eingesetzt Mehrstimmigkeit an einen weiblichen Chor erinnert und die ohnehin atmosphärische Musik noch verführerischer erscheinen lässt. So exzellent die Musik, so tiefgründig die Texte. Rervm stützt sich auf den, selbst unter Philosophen, eher unbekannten Gelehrten Titus Lucretius Carus. Man rezitiert sein ins Englische Übertragene De Rerum Natura und hebt sich auch in diesem Punkt vom szenetypischen Inspirationsfundus ab.
Stücke, die allesamt die 7-Minuten-Grenze überschreiten, philosophische Texte, düstere Stimmung, Klargesang – ein Album, das auch außerhalb der Szene seine Hörerschaft finden sollte. Hier liegt einiges verborgen und man sollte sich nicht scheuen, es zu entdecken. Ein herausragendes Album.
Erschienen bei Svart Records.
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.