Jethro Tull – WarChild. The 40th Anniversary Theater Edition [2CD/2DVD]

WarChild CD Cover

Ian Anderson: ein schwieriger Mensch. Fans erinnern sich: Bonustracks sind seine Sache nicht. Hin und wieder wurde über die Jahre hinweg mal einer veröffentlicht, manchmal auch nur ein halber, Liveaufnahmen wurden unter Verschluss gehalten und Progressive Rock abgelehnt, auf Konzerten belächelte man den Teil der eigenen Vergangenheit. Nun bearbeitet seit einiger Zeit Steven Wilson die alten Jethro Tull Alben und es gelang ihm irgendwie, Andersons Ansichten komplett ins Gegenteil zu drehen. Wie Rick Rubin sorgt er dafür, den Künstler auf seinen ursprünglichen Trademarksound einzuschwören. Ja sogar Andersons Verhältnis zu A Passion Play sollte sich wandeln. Nun liegt endliche WarChild vor, jenes Album, das zusammen mit To Old To Rock And Roll und dem Quasi-Soloalbum Minstrel in the Gallery zu den Übergangsalben zwischen Progrock und Folk gehört und zwischen diesen unfassbar inspirierten Phasen immer etwas übersehen wird. Zugegeben: Es liegt auch daran, dass es eben als deutliches Übergangsalbum zu identifizieren ist, denn es finden sich hier neben einigen guten auch einige mittelmäßige Stücke. Vieles stammt noch aus der Vergangenheit. Neben WarChild, Queen and Country, Skating Away on the Thin Ice of the New Day oder The Third Hoorah gibt es eben auch Füllmaterial. Zugegeben, schlecht ist das alles nicht. Besser als das Material der 1990er Jahre. Allein was uns in The Third Hoorah geboten wird, gehört zu den abgedrehteren Jethro-Tull-Erfahrungen. Ein völlig entfesselter Ian Anderson überlädt das Stück geradezu, überall gibt es etwas zu entdecken, alles funkelt und erinnert an einen durchgedrehten Wissenschaftler, der seinen Experimenten freien Lauf lässt. Sicherlich das Highlight des ursprünglichen Albums.

The Second Act, CD 2, bietet jede Menge Bonustracks. B-Seiten, unveröffentlichte Songs sowie den geplanten Soundtrack zum nie gedrehten WarChild-Film. Es erstaunt, was damals bereits aufgenommen wurde und mit welcher Liebe zum Detail David Palmer hier arrangierte. Zwar unterscheiden sich die orchestralen Stücke deutlich von dem, was Jethro Tull sonst veröffentlicht haben, doch kann man den Stücken nicht vorwerfen, belanglose Klassikversuche einer überkandidelten Rockband zu sein. Alles wurde äußerst geschmackvoll umgesetzt, Anspielungen auf klassische Komponisten zeugen von einer intensiven Beschäftigung mit der alten Musik.

Steven Wilsons Mix gehört wieder einmal zu den Pluspunkten dieser Veröffentlichung. Alles klingt plastisch und aufgeräumt, Details sind deutlich zu erkennen und besonders die Surroundmixe geben einen tiefen Einblick in die Songs. WarChild klingt nun so, wie es bereits auf den vorherigen CD-Veröffentlichungen hätte klingen sollen. Dass es neben dem 5.1 Mix auch noch der alte Quadmix auf die DVDs geschafft hat ist ebenso vorbildlich wie die Sicherung des Originalsmixes für den Sammler.

Das Booklet/Buch liefert darüber hinaus eine Flut an Informationen. Nicht nur der geplante Film und seine Entstehungsphase werden dokumentiert, auch die Zeit nach A Passion Play und Andersons Produzententätigkeit für Steeleye Span werden hinreichend dokumentiert. Überdies kommentiert Ian Anderson höchstpersönlich jeden Song, erklärt seinen Inhalt sowie seinen Ursprung. Schade nur, dass diese Form der Präsentation erst seit Thick As A Brick verwendet wird. Warner/Crysalis täten gut daran, auch die anderen Alben (This Was, Aqualung, Benefit, Stand Up) im selben Format aufzulegen, denn so wie WarChild präsentiert wird, sollten historische Alben generell veröffentlich werden: Historisch aufgearbeitet, ein neuer und ein alter Mix, Surroundsound, etc. etc.

Erschienen bei Warner / Crysalis.

Subjektiv: [xrr rating=4/5] Objektiv: [xrr rating=4/5]

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