10 Alben, die mich emotional beeindruckten

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Christoph hat mich gebeten, 10 Alben zu benennen, die mich im Laufe meines Lebens emotional am meisten berührten. Ich lasse klassische Alben weg, denn das würde zu weit führen (und auf der Liste wären fünf Plätze mit Wagner-Opern belegt, einer mit Mahler, einer mit Schönberg). Die Nummerierung ist nicht bindend, die Alben gehören nicht unbedingt zu meinen Lieblingsalben, obwohl einige davon natürlich Lieblingsalben sind.

1. Jethro Tull – Thick As A Brick (1972)

In meinem Leben gab es einen ziemlich heftigen Schulwechsel, der mir sehr zusetzte. Und dann hörte ich im Musikunterricht Jethro Tull. Alles musste ich haben und so fiel mir irgendwann Thick As A Brick in die Hände. Irgendwie sprach es mich auch textlich an, gab mir das Gefühl, mit meinen Problemen nicht allein zu sein. Die Gedicht-Story habe ich u.a. sehr ähnlich erlebt. Mein einziger Erfolg damals, ein surreales Gedicht, was meinem Deutschlehrer sehr gefiel, weil es unter allen Beiträgen einzigartig war. Ein Mädel meldet sich und sagt: „Ich finde das hat eine 6 verdient. Das ist gar nicht schön!“ – mal im Ernst: Wie hart muss man drauf sein, um so etwas zu bringen? Das eigene Gedicht war übrigens nicht auf der Liste, oder doch? Auf jeden Fall war es pathetisch ohne Ende.

Bis heute halte ich das Album für perfekt. Es hat kein Highlight, wie Close To The Edge von Yes oder Kings Of Metal von Manowar – eine großartige Melodie fließt in eine andere über, nach 10 Minuten ist man im Sog des Albums gefangen und kann sich nicht mehr befreien. Ebenfalls haben mich damals Blondie (Parallel Lines) und Ton Steine Scherben (Live II) enorm beeindruckt, letztere waren für mich so eine Art Ventil. Live II habe ich seitdem nicht mehr hören können.

2. Willie Nelson – Yesterdays Wine (1971)

Das Übergangsalbum. Wieder ein Schulwechsel und Willie Nelson war der Soundtrack dazu. Die Haare wurden länger, ich trug Stirnband, trieb mich mit Hippies rum. Nelsons Gesang ist einmalig, seine Art, Gitarre zu spielen, einzigartig. Die Schönheit von December Day und Family Bible erschlägt mich jedes Mal.

3. Sophie B Hawkins – Whaler (1994)

Ich befand mich gerade auf meiner ersten Paris-Reise, übernachtete in einem ziemlich heruntergekommenen Raum ohne Fenster (es gab eine Dachluke, zugegeben) oder Toilette, in einer Straße, die nicht einmal auf einem handelsüblichen Stadtplan zu finden war. Wenn ich nicht in der Stadt nach neuen Platten suchte, hörte ich auf Minidisc (!) Whaler. Das zweite Album damals war Folklore von Nelly Furtado. Sophie B Hawkins gehört bis heute zu meinen Lieblingsmusikerinnen, Whaler bewundere ich für seine Sounds (Delphine!), die dezenten Rythmen und natürlich As I Lay Me Down. Nelly Furtado hat leider nicht mehr ganz so gute Alben aufgenommen, aber so schlecht, wie sie oft gemacht wird, ist sie auch wieder nicht.

4. Serge Gainsbourg – L’Histoire de Melody Nelson (1971)

Entdeckte ich auf meiner ersten Paris-Reise. Melody Nelson überzeugt durch seine knappe Spielzeit (25 Minuten), den einzigartigen Sound, der z.B. AIR stark prägte (Virgin Suicides) und das finale Stück, Cargo Culte, dessen unheilvollen Chöre einfach wahnsinnig fiebrig-intensiv sind.

5. Rick Wakeman – The Myths and Legends of King Arthur and the Knights of the Round Table (1975)

Muss ich mich dazu rechtfertigen? Kitsch in seiner reinsten Form vom Goldengel im Glitzercape.

6. The Who – Quadrophenia (1973)

Ein Wackelkandidat. Ich könnte auch Genesis The Lamb Lies Down On Broadway nennen – da liebe ich die zweite CD mit seinen abgefahrenen Klängen, aber derzeit mag ich Quadrophenia minimal lieber. Eine Geschichte die bestimmt jeden Menschen anspricht, der irgendwann in seinem Leben Außenseiter war/ist oder sich nicht mit der Gesellschaft arrangieren wollte/will. Das Schlagzeug von Keith Moon ist so dermaßen gut … (gleiches gilt übrigens auch für Phil Collins auf Lamb). Lustigerweise habe ich das früher gar nicht gemocht und bevorzugte Tommy.

7. Isaac Hayes – Hot Buttered Soul (1969)

Habe ich nach dem Zivildienst entdeckt. Zusammen mit Rufus Thomas und Herb Alpert. Zu diesem Zeitpunkt habe ich nur ganz wenig Musik ertragen, entweder Free Jazz (Ornette on Tenor) oder eben Isaac Hayes, Rufus Thomas, Herb Alpert oder auch Coralie Clement. Hot Buttered Soul hingegen wurde zu einem Überalbum, einem, das seine Wirkung bei keinem Hördurchlauf eingebüßt hat. Wenn Isaac Hayes zu singen beginnt, ist die Welt wieder in Ordnung.

8. Dennis Wilson – Pacific Ocean Blue (1977)

Seltsamerweise eine Platte, die ich viel hörte, als Isaac Hayes starb. Zwar liebe ich vor allem Brian Wilson (Pet Sounds, Surfs Up, Sunflower, Smile), Dennis hingegen hat einen ganz eigenen Kompositionsstil, den man so nicht erwartet. Der Surferboy (Hauptinspiration für Brians Songs) singt eben nicht von Sonne, Strand und Meer, sondern von den Schattenseiten des Lebens. Pacific Ocean Blue, sein einziges Album, war bei seiner Veröffentlichung erfolgreicher als das zur selben Zeit veröffentlichte Beach-Boys-Album und hat es wirklich in sich. Pure Magie. Generell kann man sagen, dass nach Brians krankheitsbedingtem Ausfall vor allem die Songs von Dennis Wilson am meisten überzeugten. Man höre sich nur seine Beiträge auf Carl And The Passions „So Tough!“ an.

9. Midlake – The Courage Of Others (2010)

Für mich das beste Album nach 2000. Eels End Times bewegte mich zwar ähnlich, aber Courage hat noch eine ganz andere Qualität. Es klingt wie das Metaalbum des britischen Folk (von Amerikanern), wurde perfekt komponiert und arrangiert. Die Liebe, mit der es eingespielt wurde, seine aufgefeilten Klänge, vom Schlagzeug bis zum Gitarrenklang, sind einmalig. Ich hatte damals gerade kein Album zum bewerten, interessierte mich eher für Laura Veirs und First Aid Kit, aber als Midlake dann liefen war ich drei Hördurchläufe lang an die Stereoanlage gebunden, konnte nichts anderes tun, als konsequent die Lautstärke aufzudrehen. Auch interessant, wie kompakt die Songs eingespielt wurden, im Vergleich zu ihren Liveversionen (z.B. auf den Denton Sessions).

10. Milva – Dedicato a Milva de Ennio Morricone (1972)

Eine großartige Sängerin singt Songs eines großartigen Komponisten. Eine schwere Entscheidung, denn Astor Piazzollas Libertango gefällt mir ähnlich gut, doch möchte ich Milva den Vortritt lassen. Von ihr erwartet man einfach kein gutes Album, ehe man – nach dem Genuss dieses Meisterwerks – damit beginnt, nach ihren italienischen Sachen zu suchen. Sie war übrigens Piazzollas Lieblingssängerin. Mehr muss man dazu nicht sagen.

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