Deep Purple – Hard Road. The Mark 1 Studio Recordings 1968-69

Deep Purple Box MK I

Spricht man heute von Deep Purple, so denkt man automatisch an die legendäre MKII-Besetzung, als Ian Gillan sang und Roger Glover am Bass zu hören war. MKII, das waren die Alben Concerto For Group And Orchestra, In Rock, Fireball, Machine Head und Who Do We Think We Are, vier Klassiker also und ein seltsam übersehenes Übergangsalbum zur MKIII. Doch so wie es eine Zeit nach Ian Gillan und Roger Glover gab, so gab es auch eine Zeit, als Rod Evans sang und Nick Simper Bass spielte. Aus dieser Zeit stammen Shades Of Deep Purple, The Book Of Taliesyn und nicht zuletzt das selbstbetitelte Deep Purple. Parlaphone veröffentlicht nun eine kleine CD-Box, auf der neben den Stereomixen der drei Alben auch die Monomixe (beide den Stereoversionen unterlegen) der ersten beiden zu finden sind. Passend dazu wurden die originalen Vinylcover nachgebildet, Taliesyn und Deep Purple sogar als Klappcover. Erfreulich: Die Pappe der Hülle scheint stabil zu sein und bietet der CD genug Platz. Zwar gab es schon dickere Varianten, aber eben auch sehr viel dünnere und engere. Weniger erfreulich: Wieder einmal wurde ein extra Schutz für die CDs vergessen. Auf musikalischer Seite hingegen gibt es wahrlich nur positives zu berichten. Sicher, Shades Of gehört sicher nicht zu den besten Outputs der Band und doch ist sie Meilenweit vom schlechtesten Material entfernt. Man höre sich Stücke wie Hush, Prelude: Happiness/I’m So Glad oder Mandrake Root an. Hier ist der Proto-Prog allgegenwärtig. Insbesondere Jon Lords Orgel erfreut immer wieder aufs Neue.

Ein großer Schritt nach vorne sollte The Book Of Taliesyn werden. Was hier vor allem auf der B-Seite geboten wird unterstreicht eindrucksvoll, warum Deep Purple unter Musikfans so ein hohes Ansehen genießen. Wieder einmal überzeugen vor allem Lord und Blackmore, aber auch Rod Evans Stimme sticht deutlich hervor. Anthem hätte keiner der späteren Sänger so wunderbar vortragen können. Ein Balladensänger, durch und durch. Und so sind es die letzten 16 Minuten der LP, die einen von den Socken hauen, ein Vorgeschmack auf das, was in April zur Perfektion gebracht werden soll. Neo-Klassische Orgelparts, ein Streichquartett, Hardrockpassagen und immer wieder dieser Gesang! Hymnischer kann es kaum werden. Jon Lords erster Geniestreich. Das Album endet mit einer Spector-Barry-Greenwich Coverversion: River Deep, Mountain High. Es wird deutlich, wie sehr sich Deep Purple zu diesem Zeitpunkt bereits auf musikalischer Ebene weitergebildet hatten, denn zu covern ist nicht schwer, ein Stück jedoch völlig neu zu gestalten eine Meisterleistung. Bei Phil Spector spricht man von Popsymphonien – hier wird das Versprechen eingelöst. Nach einem langen Orgelsolo in einem Stil, den nun wirklich niemand mit Ike und Tina Turner verbinden würde, folgt eine relativ nahe Passage, ein engelsgleicher Refrain, Blackmores fantastische Gitarre, ein Gong scheppert. Finale.

Deep Purple – das dritte Album der Urbesetzung bewegt sich in Sphären, die man zu Shades-Of-Zeiten nur andeutungsweise erahnen konnte. Coverversionen sind fast gänzlich verschwunden, einzige Ausnahme: Donovans Lalena. Die Schwächen der Vorgängeralben sind wie weggeblasen, hier stimmt jeder Song. Ein erstes, perfektes Deep-Purple-Album. Selbstverständlich erscheint der ein oder andere Song etwas störend (Chasing Shadows rumpelt m.E. ein wenig zu sehr, sein Potential ist bereits nach wenigen Minuten verschossen, auch The Painter und Why didn’t Rosemary haben ihre Probleme, der positive Gesamteindruck der Stücke stimmt allerdings, immer wieder finden sich kleine instrumentale Highlights), doch überstrahlen Lalena und besonders April das Album in erheblichem Maße, halten es seltsam stimmig zusammen. Ersteres lebt – wie viele der frühen Stücke – besonders von Evans Gesang. In Kombination mit Lords Orgel werden vor allem Freunde leicht schwülstiger Progmusik (der Autor zählt ebenfalls zu diesen Menschen) ihre Freude an diesem Stück haben. Letzteres, April, kann eigentlich nicht wirklich in Worte gefasst werden. Wieder einmal zeigt sich hier die Verbundenheit dem Progressiverock gegenüber, der noch in der MKI bestand. Eine Suite in drei Teilen, ein Minikonzert. Getragen von Orgel und Gitarre dauert das Intro fast 2 Minuten, ehe ein Chor zaghaft einsetzt, abwechselnd Orgel und Gitarre die Führung übernehmen. Ein früher Vorbote späterer Lord/Blackmore-Duelle. Nach 4 1/2 Minuten dann der endgültige Wechsel ins Klassische. Ein kleines Orchester führt das zuvor eingeführte Thema aus, variiert, führt neue Melodien ein. Eine Oboe übernimmt die Führung. Wer meint, Concerto wäre großartig, soll dringend hier reinhören. Lords Verschmelzung von Klassik und Rock klang nie gelungener. Nach allerlei Variation dann das, was man gemeinhin von Deep Purple erwarten würde. Hard Rock, perfektes Schlagzeug, großartige Orgel, tolle Gitarren und wieder einmal Evans Stimme. Nie wurde der April besser in musikalische Form gebracht als hier. Ein Stück für die Ewigkeit.

Abseits der Mono- und Stereomixe findet sich im Boxset noch ein sehr informatives Booklet mit ausführlichen Informationen zur damaligen Besetzung, diverse Interviews, Auszüge aus zeitgenössischen Kritiken etc. Obligatorische Bonustracks fehlen auch nicht. Wer Deep Purple neu entdecken will, dass Concerto liebt oder die Alben noch nicht in seiner Sammlung hat – Hard Road bietet sich uneingeschränkt an.

Erschienen bei Parlophone.

Shades Of Deep Purple: 3/5

The Book Of Taliesyn: 4/5

Deep Pruple: 5/5

Hard Road:

Musikalisch: 4/5

Aufmachung und Dokumentation; 4/5

Hinweis: Alle Artikel wurden mir von der entsprechenden Plattenfirma / dem entsprechenden Verlag bzw. Verleih zwecks Rezension kostenlos zu Verfügung gestellt. Die Rezensionen sind demnach als Werbung zu betrachten.
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