Der besondere Film: Across The River

Across The River Poster

Horrorfans wissen: Horrorfilme aus den USA erschlagen ihr Publikum oftmals mit einer Flut an CGI, Figuren werden nicht oder schlecht charakterisiert, überhastete Schnittfolgen zerstören jedwede Atmosphäre und man folgt einem Moralkodex, der Regisseure in ein enges Korsett zwängt. Ja selbst die etwas besseren Vertreter den Genres (aktuell z.B. Don’t Be Afraid Of The Dark, Dead Silence) ertränken ihre guten Ansätze in einem (oder mehreren) der genannten Probleme. Einzig handgemachter Horror, wie das fantastische Evil-Dead-Remake, lassen Horrorveteranen jubeln.

Wenig weiß der moderne Horrorfan von einem der großartigsten Kapitel des Genrefilms. Wenig von einer Zeit, in der Italien das Land des experimentellen Horrorfilms war. Namen wie Mario Bava, Dario Argento oder Lucio Fulci sind längst verklungen – in Deutschland kennt man sie schon längst nicht mehr, die wenigen Überlebenden haben seit Jahren keinen brauchbaren Film mehr vorgelegt und zerstören Stück für Stück ihr Erbe. Doch seit einigen Jahren erlebt der europäische Genrefilm ein Revival. Einige wenige Filme weisen überragende Qualitäten auf (Masks, Amer, Eyes Of Crystal). Der italienische Film bahnt sich seinen Weg zurück ins öffentliche Bewusstsein und sei es in Form einiger Hommagen (wie z.B. auch dem neuesten Eli Roth Streifens The Green Inferno oder Hostel II, zu dessen Cast u.a. Luc Merenda, Edwige Fenech und Rugero Deodato gehören). Doch uns interessiert vor allem der italienische Film selbst. Das neueste Werk heißt Across The River und stammt von Lorenzo Bianchini.

Across The River Frame

Bianchinis Protagonist merkt, dass etwas nicht stimmt. Der Wald, den er als Ranger regelmäßig auf seine Wildbestände hin überprüft, verschlingt sein Wild. Immer wieder finden sich Tierkadaver, Überwachungskameras weisen Fehlbilder auf. Also reist er in den Wald, auf der Suche nach der Ursache. Immer tiefer dringt er in ihn ein, bis er auf einen Fluss trifft, in dessen Stromschnellen die Kleider zweier Mädchen treiben. Hinter dem Fluss findet sich ein verlassenes Dorf; hier macht es sich der Ranger gemütlich, erforscht in aller Ruhe die merkwürdigen Vorkommnisse um die Wildpopulation. Horrorfans wissen: Es wird kein gutes Ende nehmen.
Bianchini gehört schon jetzt zu den neuen italienischen Meistern (zu denen man z.B. auch Michele Soavi zählen darf). In der Tradition des französischen Regisseurs Jean Rollin stehend, verzichtet er weitestgehend auf Dialoge, was dem Geschehen eine erstaunlich unheimliche Atmosphäre verleiht und der Alltäglichkeit des Rangerberufs entsprechen dürfte. Wenn gesprochen wird, geschieht das immer aus einem bestimmten Grund heraus, niemals erscheint das gesprochene Wort selbstzweckhaft. Bianchini entgeht so einer verbalen Charakterisierung seiner Figur. Die wortkarge Figur spiegelt aber auch den Geist des Films wieder. Sehr langsam schält sich eine Handlung heraus, die Einsamkeit wird bedrohlicher, der Waldausflug kippt ins Grauen. Wenn dann die letzte halbe Stunde anbricht, wird gesprochen. Ein alter Mann übergibt dem Suchtrupp (der Ranger wird inzwischen vermisst) ein Video, das seiner Meinung nach nicht ungesehen bleiben darf. Es offenbart das Grauen des Waldes (Argento Fans fühlen sich hier an den Kurzfilm Jenifer erinnert).

Across The River gehört ohne Frage zu den anspruchsvolleren Vertretern des Genres. Ein Film, der sich – in der Tradition eines Polanskis oder Rollins – Zeit nimmt, den Figuren Zeit gibt, sich zu entwickeln. Das ist manchmal anstrengend, im Endergebnis allerdings bestens gelungen. Sollte das italienische Kino nun endlich aus dem Winterschlaf erwacht sein? Nach Across The River (und dem Vorfilm Foxes) darf man endlich wieder darauf hoffen. Denn obwohl aus Italien traditionell viel Unfug kam, bot die Trashschmiede Nr. 1 immer auch Möglichkeiten zum Experiment, etwas, was wir von aktuellen Trashschmieden (Asylum), nicht erwarten sollten.

Erschienen bei Marctropolis Filmentertainment.

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