Sheryl Crow – Feels Like Home

Sheryl Crow

Mal ehrlich: Hätte irgendjemand wirklich geglaubt, dass Sheryl Crow nochmal ein rundum überzeugendes Album vorlegt? Zwar war 100 Miles from Memphis solide, aber mehr als ein paar Hördurchgänge überlebte ihr Soul-Tribut nicht. Ihre Kollaborationen mit Willie Nelson strapazierten die Nerven und ihr Privatleben hätte auch gerne da bleiben sollen, wo es hingehört: ins Private. Denke ich heute an Sheryl Crow, so bringe ich nicht unbedingt Musik mit ihr in Verbindung. Doch das war nicht immer so: In den 1990er Jahren war sie die Untermalung, wenn ich mit meinem Vater abends durch die Stadt gefahren bin und wir Computerspiele kauften. Ihr zweites Album habe ich geliebt, trage ich noch heute auf Händen. Feels Like Home setzt nun endlich da an, wo Sheryl Crow 1996 aufhörte, interessant zu sein. Country, der war immer schon präsent, wir spürten ihn auch in späteren Alben. Er schimmerte durch, durfte aber nie die Oberhand gewinnen. Und jetzt? Jetzt liegt uns eine Country-Rock-Platte vor, die seit Tagen in meinem CD-Player rotiert. Musikalisch spitze, aber auch lyrisch stark zeigt sich eine optisch wie musikalisch kaum gealterte Sheryl Crow, wie man sie seit Jahren vermisst. So singt sie in Crazy Ain’t Original von den Irrungen und Wirrungen unserer Zeit: „Well those neighbors we all tried to stay away from / twelve kids were not enough, they had thirteen / what everybody used to call a freak show / well now we call reality TV“, drückt in Waterproof Mascara auf unnachahmliche Nashville-Art auf die Tränendrüsen (ich muss mich an dieser Stelle mal als Fan solcher Songs outen) und schüttelt einfach so einen Song wie Homecoming Queen aus dem Ärmel. Keine Hymne an jene Feier zum Ende einer Sportsaison, sondern ein trauriger Abgesang auf amerikanische Rituale, die auf ungeschönte Realität treffen: „Twenty-eight shouldn’t look this old / but the last ten years sure took their toll / on the girl in the picture with the plastic crown / that sequined dress wouldn’t fit her now / like it did before the kids […] she swore she wouldn’t get stuck in this town / now she’s cuttin’ coupons two doors down […] yeah too bad life ain’t a local parade / in your uncle’s corvette on a Saturday […] you don’t know that you won’t always be / homecoming queen”. Amerikanisches Kleinstadtleben, wunderbar auf den Punkt gebracht. Kein Mensch ist sein Leben lang Homecoming Queen oder Footballstar, das Leben verändert die Menschen, zerstört ihre Träume und Hoffnungen. Mit Feels Like Home macht Sheryl Crow nach langer Zeit endlich mal wieder alles richtig, zeigt, dass sie immer noch unglaublich gut schreiben kann, wenn sie denn will, ohne dabei ihren Hörern als Gutmensch auf die Nerven zu gehen. Wenn ich jetzt mal wieder mit meinem Vater durch die Nacht cruisen sollte, darf Sheryls Neue nicht fehlen!

Erschienen bei Warner.

Subjektiv: [xrr rating=4/5] Objektiv: [xrr rating=4/5]


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