Jethro Tull – Benefit (A Collector’s Edition)

Benefit

In den letzten Jahren hat sich Steven Wilson als Remixer alter Progalben bewährt und vielen Alben mit seinem ausgeprägten Gespür für angemessene Modernisierungen ins neue Jahrtausend gehievt. So auch die Jethro Tull Alben ab Stand Up, die – wie fast alles, was durch Wilsons Hände wandert – mit dem ein oder anderen Surround Mix ausgestattet wird (im Falle des eben genannten Albums handelt es sich dabei nicht um das Album selbst, sondern um ein Livekonzert aus den 1970er Jahren). Leider ist die Kontinuität der 5.1 Abmischungen etwas durchbrochen, so ist der Aqualung Mix nur im Deluxe Set erhältlich gewesen und fehlt in der Normalausgabe. Doch zumindest seit Thick As A Brick folgt man dem Faninteresse. Ein guter Schachzug, denn auch Benefit, dieser völlig zu Unrecht oft übersehene Juwel des Jethro-Tull-Backkatalogs profitiert vom Raumklang. Der Hörer sitzt plötzlich zwischen den Musikern, hat es leichter, Feinheiten zu entdecken, die einst im Mix verschwanden. Das ist alles sehr löblich. Dass die DVD darüber hinaus noch die Originalabmischung der Alben bietet (sowohl in der UK- als auch der USA-Fassung) ist in heutigen Zeiten ungewöhnlich sorgfältig, verwundert aber jene, denen Wilsons Vorgehen bei der Aufarbeitung musikhistorischer Dokumente bekannt ist, kaum. CD 2 reiht sich nahtlos in diese Aufarbeitung ein, sie bietet alle Singles und zusätzlichen Aufnahmen der Zeit, sowohl in Mono- und Stereofassungen, Amerikanische und Britische Versionen, liefert überdies seltene Radiospots, die, wie so oft bei Jethro Tull, ungemein lustig geraten sind. Das Hauptaugenmerk sollte aber auf dem Originalalbum und dem dazugehörigen Booklet liegen. Gleich vorweg: Wie alles, was Wilson anfasst, ist es Gold wert. Befreit von Störgeräuschen, im Panorama leicht an heutige Hörgewohnheiten angepasst klingt Benefit so gut wie nie zuvor. Generell gefiel mir der Sound des Albums immer besser als der seines berühmten Nachfolgers Aqualung, dem immer noch ein wenig Bass fehlt (auch im neuen Mix, wohlgemerkt!). Jetzt hingegen knallt das Album regelrecht, ohne aufdringlich zu sein. Die Songs sind allesamt gut, lediglich bei den Extra Tracks findet sich der Jethro-Tull-Totalausfall Singing All Day, für dessen Existenz sich Anderson im Booklet ausgiebig entschuldigt. Sicher, nicht jeder Song auf Benefit ist vom Format eines With You There To Help Me, Son, For Michael Collins, Jeffrey And Me oder Sossity; You’re A Woman, doch legte Mastermind Ian Anderson die Messlatte für guten Songwriting seit jeher sehr hoch. Mir persönlich gefällt der Hardrockanteil das Albums besonders gut, der in dieser Form erst Ende der 1980er Jahren wieder Einzug in den Soundkosmos der Briten hält (Crest Of A Knave, Rock Island und teilweise Dot Com, dem saftlosen letzten ‘richtigen’ Jethro-Tull-Album von 1999). Das Problem des Albums, so sehe ich das nach reiflicher Überlegung, ist die relativ gleichartige Qualität der Songs. Sie alle sind mehr oder weniger gut, nutzen verschachtelte Melodien und so entsteht leicht der Eindruck einer musikalischen Gleichförmigkeit, die es so bei Stand Up und Aqualung nicht gab. Erst bei diversen Hördurchgängen erschließen sich die Songs, auch die schlichten, auf allen Ebenen.

Hervorzuheben ist das Booklet, mit einem wunderbar-informativen Essay Martin Webbs, einem Nachwort Steven Wilsons, einem umfassenden Tourplan sowie ausführlichen Track-By-Track-Interviews mit Anderson, Barre, Cronick und Bunker. Lediglich Evan(s) fehlt leider. Bei der Collerctors Edition von Benefit handelt es sich um eine herausragende Neuauflage eines sehr guten Albums, die vielleicht seinen Beitrag dazu leistet, dem Album eine neue Chance zu geben, die es so leider nie wirklich hatte.

Erschienen bei Chrysalis.

Subjektiv: [xrr rating=4/5] Objektiv: [xrr rating=4/5]

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