Comics müssen nicht immer komisch sein. Und Comics müssen auch nicht immer ernst sein. Comics können auch, ohne sich zwischen erster und zweiter Kategorie zu positionieren, einfach aus dem Leben erzählen und so beide Elemente unweigerlich miteinander vereinen. Die Brüder Moon und Bá berichten vom Leben des Autors Brás de Olivia Domingos, der sein Lebensunterhalt mit dem Verfassen der Nachrufe in einer brasilianischen Zeitung verdient. Doch Brás hat Ambitionen: Er möchte, wie sein Vater, Autor werden, Bücher veröffentlichen, doch das Leben nicht verpassen, jenes Leben, das an ihm vorüberzieht. Jeder Tag seines Lebens, dessen ist er sich ob seines Jobs gewiss, könnte der letzte sein.
Wann beginnt das Leben, wann endet es? Diese Frage versuchen Moon und Bá in zehn Kapiteln zu beantworten. Jedes Kapitel ist nach dem Alter benannt, in dem Brás sterben wird. Und obwohl er immer wieder stirbt, erwacht er zu Beginn eines jeden Kapitels erneut zum Leben. So entsteht Seite für Seite, Kapitel um Kapitel ein Abbild des Lebens des Brás de Olivia Domingos. Der Leser lernt seine erste große Liebe kennen und auch seine zweite, er erlebt die Geburt seines Sohnes und den Tod des Vaters, erhält Einblicke in Episoden seiner Kindheit. Moon und Bá ist es auf diese Weise gelungen, einen Comic zu schaffen, der sich deutlich von der Durchschnittsware abhebt. Sie beweisen darüber hinaus, welche Fähigkeiten dem Medium innewohnen. Es muss nicht immer Vergangenheitsbewältigung und die Biografien großer Männer und Frauen sein, die sich mittels Graphic Novel vermitteln lassen.
Daytripper erinnert in seinen besten Momenten an Giuseppe Tornatores Oden an seine Heimat. Baarìa, Cinema Paradiso oder Der Zauber von Malena sind gute Vergleiche, denn sie erzählen in ganz ähnlicher Art und Weise, auch was die Bilder betrifft. Neben der Liebe zum Buch bzw. Comic ist es vor allem die Liebe zur Brasilianischen Kultur und zu ihren Menschen; in ausschweifenden Panelfolgen werden Festivitäten zelebriert oder Naturbeobachtungen hervorgehoben. Sicher sind manche Episoden so auch leicht kitschig geraten, so z.B. Kapitel Fünf: 11. Dennoch – oder gerade deshalb – gehört es zu den interessantesten und schönsten Momenten des Comics. Wie die Autoren hier von der Kindheit ihres Protagonisten erzählen, mit welcher Liebe und Sehnsucht, dem Hang zu scheinbar banalen Alltagsszenen eines Urlaubs auf dem Landes gehört vielleicht zu den interessantesten, weil unaufgeregtesten Momenten, die sich aktuell auf dem Comicmarkt finden lassen. Und auch wenn der positive Eindruck überwiegt, waren die letzten Seiten der Geschichte etwas zu dick aufgetragen. Es sind 16 Panels, die Daytripper etwas zu sehr in Hollywoodclichés ertrinken lassen, die man besser vermieden hätte und die Bá und Moon nicht nötig gehabt hätten, um die Geschichte elegant zu beenden. Andererseits: Wirklich störend ist das Ende nun auch nicht.
Erschienen bei Panini Comics / Vertigo.
Eine Leseprobe gibt es hier.
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.