Über Peyos wohl bekannteste Comicreihe Die Schlümpfe wurde bereits viel geschrieben. Einst Nebencharaktere in Johann und Pfiffikus, wurden sie von den Lesern so gut aufgenommen, dass sie bald Protagonisten einer eigenen Reihe werden sollten. Es folgten Gummifiguren, eine TV-Serie, Zeichentrick- und jüngst 3D-Animationsfilme. Das Phänomen „Schlumpf“ ist global, sie werden von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen geliebt. Die von Peyo kreierte Welt ist in mancher Hinsicht interessant: Eine autonome Männerkommune unter der Führung eines bärtigen, weisen Wesens mit roter Mütze, der nicht zufällig an Karl Marx erinnert,1 wird von einem geldgierigen Zauberer bedroht, dessen erklärtes Ziel es ist, die Schlümpfe zu töten.2 An dieser Stelle sollen jedoch nicht die kommunistischen Ideale der Schlümpfe untersucht werden, sondern ihr Bezug zur Zombiegeschichte der 1960er/1970er Jahre. Im Folgenden wird dargelegt, ob und in welcher Form die Schwarzschlümpfe in Blauschlümpfe und Schwarzschlümpfe von 1963, vorexerzieren, was George A. Romero in Night Oft The Living Dead (1968) zur Vollendung bringen wird.
1. Definition des Zombies nach Jovanka Vuckovic mit Bezug zu George A. Romero
Horrorfilmexpertin Jovanka Vuckovic, die u. A. als ehemalige Herausgeberin des Rue-Morgue-Magazins und Regisseurin des Films The Captured Bird bekannt ist, definiert Zombies in ihrem Standardwerk Zombies – Die illustrierte Geschichte der Untoten wie folgt:
„Zahlreiche antike Mythen und Volkssagen berichten von körperlicher Wiederauferstehung und haben alle eines gemeinsam: Sie beschreiben Tote, denen es gelungen ist, nicht nur als Geist, sondern mit dem ganzen Körper ins Leben zurückzukehren. […] Im Gegensatz zu Zombies handeln die lebenden Toten mit den Fangzähnen [Anm. J. A.: Vampire] bewusst und aus freiem Willen heraus […].“3
Zombies in Literatur und Film sind demnach in erster Linie tote Menschen, die nach dem Ableben wieder auferstehen und nicht auf Basis des freien Willens handeln. Mit Romeros Night Of The Living Dead ändert sich diese Definition. Der Zombie wandelt sich vom
„willenlosen Sklaven über die nach Menschenfleisch gierende reanimierte Leiche […] zum witzelnden, rasenden, virusinfizierten Zombie […], der die Apokalypse heraufbeschwören kann. Heute steht er als Symbol für die wandelbaren Ängste unserer Gesellschaft (Sklaverei, Arbeitslosigkeit, Gehirnwäsche, Krankheit).“4
Vuckovic weist folglich nach, dass Zombies trieb- bzw. fremdgesteuerten Menschen sind, die nach Menschenfleisch gieren, einen Virus verbreiten und sich rasend schnell vermehren. Die Infizierung hat dabei den Seuchencharakter und ist schwer aufzuhalten.
In Romeros Night Of The Living Dead wird der Zombie spezifiziert. Der Film spielt auf einer Farm in Pennsylvania, die in der Nähe eines Friedhofs gelegen ist. Dort steigen die Untoten plötzlich aus ihren Gräbern und belagern die Bewohner der Farm. Innerhalb der Gruppe folgt ein rascher Zerfall der Herrschaftsstruktur, es verbreitete sich Paranoia, denn es ist den Lebenden nicht möglich, zwischen Zombie und Mensch zu unterscheiden, zumal der Biss eines Zombies zwar den Wandel vom Menschen zum Zombie auslöst, aber erst durch einen Angriff des Infizierten erkennbar ist, wann der Wandel vollzogen ist.5 Romeros Zombie ist also in seiner Ursprünglichkeit tot, aber im Vergleich zu seinen späteren Ansätzen nicht so stark verwest, dass sofort ersichtlich ist, wer nun Zombie und wer Mensch ist. Die epidemische Verbreitung der Zombieseuche, also des Bisses durch einen bereits toten Menschen sowie die in der Geschichte fortschreitende Bedrohung durch eine Veränderung des Mengenverhältnisses zwischen Mensch und Zombie ist eines der Hauptthemen Romeros.
2. Der Schwarzschlumpf
2. 1. Inhaltsangabe
Peyos Blauschlümpfe und Schwarzschlümpfe erzählt die Geschichte eines faulen Schlumpfs (Fauli?), der von Papa Schlumpf gebeten wird, im Wald Holz zu hacken. Nachdem ein Baum gefunden wurde, wird der Schlumpf von einem schwarzen Insekt angegriffen und schlussendlich gebissen. In Folge ändert sich nun die Farbe des kleinen Männchens von blau zu schwarz, seine Sprachfähigkeit weicht einem immer wieder zu vernehmenden: „GNAK!“6 (in Der Gefangene Schlumpf wird sich herausstellen, dass es sich bei diesem Laut eindeutig um einen Beißlaut handelt).7 Im weiteren Verlauf der Geschichte wird der nun schwarze Schlumpf gefangen genommen, doch bevor eine Heilung möglich ist, werden weitere Schlümpfe gebissen und somit infiziert. Die Situation spitzt sich zu, denn immer mehr Schlümpfe mutieren zu Schwarzschlümpfen. Überdies benutzt ein Schwarzschlumpf blaue Farbe, um inkognito zu operieren.8 Innerhalb der autonomen Kommune entsteht folglich misstrauen, denn niemand weiß, wer nun Schlumpf und wer Schwarzschlumpf ist, was sogar die Infizierung Papa Schlumpfs bewirkt.9 Erst als das Insekt gefangen wird, findet man durch Zufall ein Heilmittel für die Seuche (Blütenstaub der Nachthyazinthe).10 Doch trotz des Heilmittels scheinen die Schwarzschlümpfe das Dorf vorerst einzunehmen. Die Rettung erfolgt eher zufällig, denn eine entflammbare Chemikalie gerät in Brand und löst eine Explosion aus; Der Blütenstaub verteilt sich in Folge im ganzen Dorf, die Schlümpfe sind geheilt.
2. 2. Eigenschaften des Schwarzschlumpfs
Der Schwarzschlumpf ist in erster Konsequenz von schwarzer anstatt blauer Farbe (in der Hanna-Barbera-Serie und späteren US-Ausgaben ist er lila)11. Er wurde von der gefährlichen Mücke BZZ gestochen,12 hat rot-glühende Augen und infiziert andere Schlümpfe, in dem er sie beißt. Er besitzt eine lebenserhaltende Grundintelligenz, was daran deutlich wird, dass er in die Fähigkeit besitzt, sich optisch den nicht-infizierten Schlümpfen anzupassen. Seine Verständigungsfähigkeit beschränkt sich auf Beiß- und Wutgeräusche13 sowie Lachen.14 Überdies ist seine enorme Kraft zu erwähnen, die es ihm ermöglicht, sich von Fesseln zu befreien.15
3. Abschließender Vergleich und Fazit
Die Untersuchung zeigt, dass Schwarzschlümpfe enorme Ähnlichkeit zu menschlichen Untoten aufweisen. Zwar sind sie nicht tot, dennoch wandeln sie sich von friedliebenden Wesen zu beißwütigen Ungeheuern, die jeden anderen Schlumpf (bzw. Lebewesen an sich, wie die Erstinfektion der Fliege zeigt) zu Infizierten wandeln. Ebenso wie die von Vuckovic und besonders Romero definierten Zombies sind die Schwarzschlümpfe auf ihre Instinkte reduziert, handeln also nicht aus freiem Willen, sondern versuchen nur, zu überleben und sich zu reproduzieren. Zwar muss ein Zombie nach den genannten Definitionen tot sein, doch zeigen einige Filme wie Robert Rodriguez‘ Planet Terror, dass auch die Infektion mit einer Seuche den Wandel zum Zombie vollziehen kann. Abgesehen von den optischen Merkmalen und der Verhaltensweise der Schwarzschlümpfe ist auch der Verlauf der Geschichte vergleichbar mit Romeros Night Of The Living Dead. Während die Gruppe der infizierten immer größer wird, schrumpft die Gruppe der gesunden Wesen; Verwirrung über den Zustand der anderen Gruppenmitglieder sorgt für Paranoia und den Zerfall der Gesellschaftsstrukturen. Peyo hat folglich das Zombiegenre in literarischer Form bereits 1963 so geformt, wie man es gemeinhin Romero zuschreibt. Strukturell gleichen sich beide Geschichten in großem Maße. Es wäre zu überprüfen, ob Romero zur Entstehungszeit seines berühmten Zombiefilms die Schlumpfgeschichte kannte oder ob es sich bei den Ähnlichkeiten um Zufall handelt, so wie es bei den Übereinstimmungen von Spielbergs/Lucas‘ Jäger des verlorenen Schatzes und Hergés Tim und Struppi der Fall ist.
Die Schlümpfe Band 1: Blauschlümpfe und Schwarzschlümpfe ist bei Toonfish/Splitter für 12, 95 € erhältlich. Auf der offiziellen Verlagsseite findet sich eine großzügige Leseprobe.
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- Anonymous: http://bluebuddies.com/help/communist_smurfs.htm (05.09.2013). ↩
- Vgl. Peyo: Die Schlümpfe. Blauschlümpfe und Schwarzschlümpfe. Bielefeld: 2011. S. 41. Panel 7. ↩
- Vgl. Vuckovic, Jovanka: Zombies. Die illustrierte Geschichte der Untoten. Mit einem Vorwort von George A. Romero. München: 2012. S. 8. ↩
- Vgl. Ebd. ↩
- Vgl. Romero, George. A.: Night Of The Living Dead. Mediabook. Köln: 2012. ↩
- Vgl. Peyo: Die Schlümpfe. Blauschlümpfe und Schwarzschlümpfe. Bielefeld: 2011. S. 5. ↩
- Vgl. Ebd. S. 27. Panel 8. ↩
- Vgl. Ebd. S. 17. Panel 7. ↩
- Vgl. Ebd. S. 20. Panel 4 – 20. ↩
- Vgl. Ebd. S. 15. Panel 6 – 12. ↩
- Gutierrez, Jon: http://www.toplessrobot.com/2011/07/8_facts_about_smurfs_that_are_shockingly_interesti.php (05.09.2013). ↩
- Vgl. Peyo: Die Schlümpfe. Blauschlümpfe und Schwarzschlümpfe. Bielefeld: 2011. S. 6. Panel 9. ↩
- Vgl. Ebd. S. 12. Panel 6. ↩
- Vgl. Ebd. S. 7. Panel 5. ↩
- Vgl. Ebd. S. 12. Panel 8. ↩
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.