Literaturkritik: Vincent Voss – Töte John Bender!

John Bender

In meiner Eigenschaft als Literaturwissenschaftler rezensiere ich natürlich auch immer gerne Bücher. Vor einiger Zeit landete also Vincent VossTöte John Bender! Auf meinem Schreibtisch. Weniger die Art von Literatur, die ich lese, aber die Geschichte erschien durchaus interessant. Während eines Führungskraftcoachings auf einer einsamen, dänischen Insel geschehen seltsame, bedrohliche Dinge. Knochen, Pornohefte, Fischleichen, blutige Taschentücher und Morddrohungen sorgen für Angst und Schrecken und schon bald muss Seniorcoach Tom Breuer feststellen, dass es sich dabei um sehr viel mehr handelt, als einen Streich seiner Mitarbeiter.

Vincent Voss gelingt es mit Töte John Bender! die Erwartungen der Leser zu unterwandern. Wer einen Horrorthriller erwartet, wird vorerst enttäuscht, denn ehe die letzten 50 Seiten erreicht sind, geschieht in dieser Hinsicht recht wenig. Vielmehr verfolgt man ein professionelles Coaching, das langsam aber sicher auf eine Katastrophe zusteuert. Das Coaching wird dabei so detailliert beschrieben, dass man versucht ist, einige Seiten zu überspringen, denn Tom Breuer ist einer dieser herrschsüchtigen, eingebildeten und selten um einen Coachingspruch verlegen Motivationstrainer, die man aus den Talkshows der späten 1990er Jahre kennt (und deren Abgründe man auch ähnlich gelagert vermuten würde). Der Leser kann es kaum erwarten, dass dem selbstsicheren Coach die Situation entgleitet und “Tschakah! Du schaffst es!” nicht mehr die Lösung allen Übels ist. Folglich ist Breuers unblutiges, aber äußerst fieses Ende eine Freude. Weniger erfreulich verhält es sich mit der Auflösung, wer hier eigentlich wen jagt. Der Grund für die Tat wird bereits im Prolog deutlich, die Auflösung wirkt auf mich jedoch, als wäre sie abrupt ans Ende des Buchs geklatscht worden.

Vermutlich stand bei der Romankonstruktion Agatha Christies Und dann gab’s keines mehr Pate. Doch während Christie unaufhaltsam auf ein logisches Ende hinsteuert, fühlt man sich bei Voss‘ Auflösung (immerhin recht geistreich) überrumpelt. Einige fünfzig Seiten weniger Coachingalltagsbeschreibung (oder der Verzicht auf die seltsam unstimmige, bukowski-esque Sexszene – die allerdings zur Charakterisierung der etwas derangierten Partnerin beiträgt) zugunsten einer ausgiebigen Charakterisierung des Täters hätten Wunder gewirkt. Der Täter bietet sich regelrecht an, um seinen gestörten Geist literarisch in Szene zu setzen. Die wenigen Einblicke in seine Gedankenwelt sind düster, verrückt und wunderbar zu lesen. Davon bitte mehr. Alles in allem hat mich Töte John Bender! trotz seiner kleinen Schwächen positiv überrascht. Thrillerfans kommen hier definitiv auf ihre Kosten.

Erschienen im Luzifer Verlag.

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