Als vor 2 Jahren das Ich von Liebe Minou erschien, waren wir fest davon überzeugt, dass die sympathische Sängerin auf jeden Fall einen größeren Hit haben wird. Ihre verspielte, durch und durch positive Welt war prädestiniert für den Durchbruch, ähnlich einer Annett Louisan zu Bohème-Zeiten (nur mit sehr viel besseren, weniger lolitahaften Songs). Mit Nur die guten Tasten hat Liebe Minou nun aber ein Album vorgelegt, das aufhorchen lässt. Ähnlich ihrer Kollegin entwickelt sich ihr Sound, die Stärken des Debüts sind ausgebaut worden, die Niedlichkeit ist etwas gewichen. Man wirkt weniger kindlich, dafür fraulicher, ohne aber die Minou’sche Leichtigkeit zu vernachlässigen. Das von Achille Fonkam maßgeschneiderte Jazz-Soul-Chansonpop-Rüschenkleid wurde mit kosmopolitischen Stickereien versehen. Französischer Chanson (Seit du gesagt hast, Kleines Licht), fein verwoben mit russischer Folklore (Komm/Reprise) oder einem Walzer (Das Walzchen), auch seidene Flamencofäden sind zu finden. Neben den klanglichen Veränderungen hat aber auch Minous Stimme eine Metamorphose durchlaufen: Sie ist gereift, das etwas gewöhnungsbedürftige, aber sympathische-eigene Timbre fällt weniger nasal aus und fügt sich sehr gut ins Gesamtbild ein. Eine kleine Veränderung mit großer Wirkung: besonders auf Ja! entwickelt sich dadurch ein großes, warm-groovendes Klangbild. In dieser Form noch vor ein paar Jahren undenkbar. Einer der vielen kleinen Momente des Albums, bei dem man spürt, dass der gewählte Künstlername in naher Zukunft hinderlich sein könnte – man denke an die Beach Boys, denen, ob ihres Namens, bis heute der Surf-Sound ihrer ersten LPs anhaftet. Liebe Minou hat mit Nur die guten Tasten ihren Wirkungskreis erweitert, führt uns weg von Kekskonzerten und der etwas erdrückenden Lieblichkeit ihres Debüts in eine Welt, irgendwo zwischen einem entpolitisierten Mellow Mark (Metropolis), einem züchtigen Serge Gainsbourg (Vu de l’extérieur) und, immer noch, der Fabelhaften Welt der Amelie. Ein frühlingshaftes Album für die Dauerrotation.
Erschienen bei Sony Music / Columbia / Fonkam Music.
Subjektiv: [xrr rating=4/5] Objektiv: [xrr rating=3/5]
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.