Kate Nash – Girl Talk

Kate Nash Girl Talk

Man muss es ja zugeben: Was Kate Nash aufnimmt, ist immer irgendwie sympathisch. Seien es die poppigen Töne auf Made Of Bricks, der lärmigere 60s Garagensound auf My Best Friend Is You oder die punkigen Riot-Grrrl-Klänge auf Girl Talk. Leider, das sollte jedem Hörer bewusst sein, hat das Album keinen einzigen Song zu bieten, der auch nur ansatzweise so rau und überzeugend klingt, wie das vorab veröffentlichte Under-Estimate The Girl. Ein Song, der Nashs bisherige Karriere in Frage stellt. Und dennoch gibt es hier einiges zu entdecken. Death Proof, eine Mischung aus Surfsound und New Wave á la Blondie, ist einer dieser Songs. Oder All Talk. Lärmig, direkt, vielleicht – unter Nashs Prämisse, Punk zu spielen – der überzeugendste Song auf dem Album, solange man nicht auf den Riot-Grrrl-Baukasten-Text hört: „You said some shit about me / But I don’t mind / If you don’t respect me / All that means is that you can’t change me […] I’m a feminist / And if that offends you / Then fuck you”. Textzeilen, die, vom „Fuck You” und „Feminist“ abgesehen, klingen, als würden sie aus den 1960er Jahren stammen. Man denke an den Hit My Boyfriend Is Back von The Angels: „He went away and you hung around / And bothered me, every night / And when I wouldn’t go out with you / You said things that weren’t very nice”. Als hätte es die letzten 50 Jahre nicht gegeben. Wie bei den Angels steht und fällt Nashs lyrische Welt mit dem Boyfriend, der sie verlassen hat und der immer wieder angesprochen wird. Sie hätte keinen Sex gewollt, er habe sie als „Stupid Bitch“ und „Frigid Whore“ beschimpft. Grob zusammengefasst gilt für Kate Nash, was auch über Taylor Swift gesagt werden kann, so verschieden ihr Stil auch sein mag: In der Vergangenheit haben sie immer wieder Probleme mit Jungs gehabt und ihre Menschenkenntnis hat sie im Stich gelassen, deshalb schreiben sie jetzt einen Verbitterungssong. An ihrer Wahl kann es ja nicht gelegen haben.

Das große Manko des Albums ist jedoch nicht das Baukastenprinzip des monotonen Songwritings. Auch die Fixierung auf geschrammelte Gitarren, die Abkehr vom Piano und vom (überdeutlichen) Cockney-Akzent sind es nicht. Es ist die Simplizität in Verbindung mit der Länge des Albums, 52 viel zu lange Minuten. Besonders im Kontext von My Best Friend Is You, auf dem es trotz Piano sehr viel avantgardistischer und punkiger zuging, man höre sich z. B. Mansion Song noch einmal genau an, verliert Girl Talk deutlich. Das Nash sich und ihren Sound verändert (die Textinhalte hingegen sind im Prinzip seit Made Of Bricks absolut identisch – Glamour und The Guardian, Blümchenkleid und trotzdem emanzipiert etc.) ist absolut gerechtfertigt. Viele Künstler haben sich auch im Laufe ihrer Karriere geändert. Doch eine Veränderung ist vor allem dann sinnvoll, wenn sie von einfachen zu komplexen Songs verläuft, nicht umgekehrt; der Künstler beginnt, sich positiv weiterzuentwickeln. Sonst entsteht schnell der Eindruck, man hätte sein Talent vor lauter Trueness verloren. Man wird sehen. Immerhin: Auch z. B. Serge Gainsbourg und Mike Oldfield hatte mindestens eine Platte in ihrer Discografie, bei der ein ähnliches Gefühl entstand. Insbesondere im Bezug auf Nashs großartigen Song Under-Estimate The Girl wurden unsere Erwartungen leider enttäuscht.

Erschienen bei Have 10 P Records / Fontana.

Subjektiv: [xrr rating=3/5] Objektiv: [xrr rating=3/5]

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