VA – Django Unchained

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Es gibt selten Filme, die mich dazu bewegen, ins (Mainstream-)Kino zu gehen. Bei Filmen von Quentin Tarantino überlege ich mir hingegen immer zweimal, ob ich mich nicht doch aufraffen sollte. Zu oft hat der Mann sein Gespür für perfektes Recycling bewiesen. Nun, ich bin kein typischer Tarantino-Fan. Meine Lieblingsfilme sind Jackie Brown, Death Proof und Kill Bill (insbesondere Vol. 2), nicht gerade die Filme, die der Mainstream liebt. Der erste zu gediegen, der zweite mit zu vielen Dialogen, der dritte Film wird oft als unnötiger Nachklapp empfunden (was – bedenkt man, dass es bei Kill Bill eigentlich nie einen zweiten Teil gegeben hat und man den Film nur ob der Sehgewohnheiten teilte – falscher nicht sein könnte). Dennoch bereitet mir Tarantino immer wieder große Probleme. Das liegt vor allem in der kulturellen Wahrnehmung des jeweiligen Genres, dass er in seinen Filmen verwurstet. Galten Django, Keoma, Il Grande Silencio und Navajo Joe gestern noch als Nischenfilme (wenn auch als stilprägende Nischenfilme!), so sind sie spätestens nach der Kinopremiere gesellschaftlich aufgewertet. Gleiches gilt für die Musik der Filme. Plötzlich hören meine Mitmenschen Leonard Cohen oder The Delfonics, Musik die nicht erst seit ihrer Zweitverwertung gut ist. Und nun, nachdem Tarantino einen Haufen Filmmusik direkt von Vinyl auf CD gepresst hat, wird wohl plötzlich analoges Rauschen – mehr als bisher – en vogue sein. Kulturelle Aufwertungsstrategien, die ich nicht verstehen will, die mir auch Pierre Bordieu nicht zufriedenstellend erklären kann. Gut ist gut und bleibt gut, auch ohne ein massenmediales Echo. Man lese nur mal die Kommentare auf dem Django-Unchained-Soundcloud-Account. „Boah, toller Song!“, „Grandios!“, „Morricone ist der beste Komponist“. Dinge, die auch schon vor Tarantino klar waren. Oder auf Youtube. Da steht dann bei einem Film, dessen Musik im Soundtrack verwendet wurde: „DJANGO UNCHAINED!“ Gut, für seine Fans – oder besser: den Hipstern unter seinen Fans – kann der Meister natürlich nichts und ich halte ihm zu Gute, dass er Trashkultur konserviert. Ohne ihn gäbe es zig Filme nicht auf DVD, viele Soundtracks wären nicht wieder aufgelegt worden etc. Zudem sind seine Arbeiten einfach gut. Da kann man sagen, was man will. Und sein aktueller Soundtrack? Schlägt ein wie eine Bombe. Das gab es seit Kill Bill nicht mehr. Insbesondere Inglourious Basterds bildete da den traurigen Höhepunkt (und das trotz des grandiosen Films, aber das Kriegsfilmgenre gibt musikalisch leider wenig anderes her). Nun ist der Mann aber wieder musikalisch ganz bei sich. Über die Dialogfetzen kann man nach wie vor streiten (ich mag sie nicht, sie stören den Hörfluss), die Musik jedoch ist fantastisch. Luis Bacalov, der mit Il Postino, dem Concerto Grosso der New Trollz und seinen Astor Piazolla-Bearbeitungen unvergessen bleiben wird, liefert einige seiner besten Stücke. Das Django Thema und Lo Chiamavano King (gesungen von der wunderbaren Edda Dell’Orso), aber auch La Corsa sind musikalische Monolithen. Unverwüstlich. Im Westerngenre zog ich ihn immer Morricone vor, aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Überdies gibt es noch alte Tracks von Riz Ortolani, Ennio Morricone oder Jerry Goldsmith (Nicaragua ist ein fantastisches Stück Musik). Dazu neue Stücke von Anthony Hamilton, der medial mehr Aufmerksamkeit verdient hätte, Rick Ross und Jamie Foxx, James Brown und 2Pac, Dege Legg (entstand allerdings nicht extra für den Film) und Ennio Morricone himself. Für mich die große Enttäuschung der CD. Nicht, dass die Musik schlecht wäre, aber Elisa Toffoli ist einfach zu sehr in den Vordergrund gemischt und kann dem Vergleich mit Edda Dell’Orso oder Milva nicht standhalten. Sie versteht es leider nicht, die italienische Eleganz alter Filmballaden einzufangen. Gerade aus der Zusammenarbeit Tarantino/Morricone hätte ich mir mehr erhofft. Dennoch, schlecht ist das Stück nicht. Aber kein Vergleich zu alten Arbeiten des Meisters. Andererseits: Kann man die Erwartungen erfüllen, die eine solche Zusammenarbeit hervorruft? Jetzt mal ehrlich, ohne die mitschwingende Euphorie? Die Zutaten sind jedenfalls alle dabei – ob Hammondorgel oder Westerngitarren. Die Überraschung des Soundtracks ist jedoch der fast vergessene Jim Croce. I Got A Name ist eines dieser ganz besonderen Lieder von erhabener Qualität. Und Tarantino hat noch etwas mehr zu bieten: Mit Franco Micalizzis Trinity (Titoli) findet sich ein Teil der Filmmusik aus Die rechte und die linke Hand des Teufels, der ersten echten Spencer/Hill Westernkomödie – auf einem Soundtrack zu einem Film, der sich mit der Sklaverei befasst! Leider fehlt jedoch u. a. die Musik aus dem Django Trailer, Ain’t No Grave von Johnny Cash. Schade drum.
Django Unchained ist einer dieser Soundtracks der eigentlich alles richtig macht. Ein Sampler, der viele gute Stücke vereint und lediglich durch die Dialogfetzen etwas zerfahren wirkt. Die Verpackung stört doch sehr, wir haben es wieder einmal mit einem Digipak der bösen Sorte zu tun. Anscheinend ist das jetzt die neue Mode. Wozu muss eine CD auch Kratzfest verpackt sein, wenn man an 50 Cent Verpackung sparen kann? Und doch bleibt eine Frage: Wo ist Track 24? Ode To Django von RZA? Man wird es wohl nie erfahren.

Filmkritiken: Jason Auric, Owley

Erschienen bei Universal.

Subjektiv: [xrr rating=4/5] Objektiv: [xrr rating=4/5]

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