Stella (Susen Ermich) ist eine gut aussehende, doch leider miserable Schauspielerin. Mit dem Vorurteil, ein typisches It-Girl zu sein, schleppt sie sich von Aufnahmeprüfung zu Aufnahmeprüfung, um dort durch Overacting und mangelndes Einfühlungsvermögen zu glänzen. „Sie hat das Stück nicht gelesen“, raunt es durch den Prüfungssaal. Dennoch rät ihr einer der Prüfer, es doch einmal bei der Gdula Schauspielschule zu probieren, einer Schule mit unheimlicher Vergangenheit, deren spezielle Methode in den 70er Jahren, nach einigen ungeklärten Todesfällen, verboten wurde.

Mit Masks ist Andreas Marschall einer dieser Filme gelungen, die das Zeug zum Kult haben. Das liegt vor allem daran, dass sämtliche Clichés vermieden werden, die in deutschen Amateurfilmen allgegenwärtig sind (miserable Schauspieler, schlechte Ausleuchtung, unstimmige Szenen, Jörg Buttgereit Effekte etc.). Besonders von den Schauspielern ist der Zuschauer überrascht, hervorzuheben sind hier Susen Emrich und Magdalena Ritter, die, besonders im zweiten Teil des Films, zu Höchstformen auflaufen. Generell hat Marschall bei der Auswahl seines Casts ein gutes Händchen bewiesen. Fast jede Figur wirkt, als stamme sie aus den 1970er Jahren (und so hätte man dem Kriminalkommissar aus der Fake-Doku keinen Backenbart ankleben müssen, um die Illusion aufrecht zu erhalten), im Falle von Sonali Wiedenhöfer, die ihren Charakter wunderbar fies gestaltet, fühlt man sich hin und wieder an die wunderbare Soledad Miranda (Vampyros Lesbos, Der Teufel kam aus Akasava) erinnert. Ja selbst eine genretypische Klaus-Kinski-Figur fehlt hier nicht und man darf mit Fug und Recht behaupten, seit dem Ableben des großen deutschen Schauspielers keinen so überzeugenden Klon gesehen zu haben. Doch nicht nur die Schauspieler erinnern an die 1970er Jahre, denn Masks ist ein Trip zurück in die Cinecitta, ein Spiel mit Farben, Bildern, Musik und Kamerafahrten, ein liebevolles Tribut an Filme wie Suspiria, Profondo Rosso, Blutige Seide oder auch die Edgar-Wallace-Franchise. Einige dieser Filme werden direkt zitiert, sei es das Motiv des stillgelegten Flügels der Gdula Schule (Phenomena), das fehlende Bild an der Wand (Profondo Rosso), die Hitchcock-Milchglas-Szene (die auch ins Werk Argentos Einzug gefunden hat), generell die Bava / Argento Farbgebung, aber auch weniger bekannte Filme wie Das Zeichen des Vampirs (Tod Browning) bekommen ihre (in diesem Falle wirklich gemein weiterentwickelte) Referenz. Doch neben dem ganzen Zitatenkino bietet Masks auch genug eigene Ideen. Überzeugt der erste Teil des Films vor allem durch die ausgiebige Charakterisierung der Hauptfigur, die langsam aufbauende Spannung und einige recht derb inszenierte Morde (wobei die ersten 2 Minuten des Films für den Rezensenten aus diversen Gründen die größten Durchschlagskraft bewiesen), so nimmt der Film in dem Moment, da Stella den geheimen Teil der Schule betritt, deutlich an Fahrt zu. Das liegt zum einen an den Kammerspielartigen Szenen, die von den Dialogen zwischen Ritter / Ermich leben, aber auch die Verschiebung ins Irreale, Wahnhafte – sie erzeugt einen Strudel aus Ereignissen, die den Zuschauer immer mehr gefangen nehmen, ihn zuletzt selbst zweifeln lassen, was von dem gesehenen nun Wahn oder Realität ist. Marschall versteht es, den Zuschauer zu verwirren, bietet aber auch immer wieder genug Indizien, um das gesehene zuordnen zu können.

Alles in allem ist Masks ein überzeugender Film, der teurer wirkt, als so manche Fernsehproduktion. Selbstverständlich merkt man an einigen kleinen Nebenrollen, das man mit Minimalbudget gearbeitet hat und auch das Bild der Blu-ray kann es nicht mit Referenzfilmen wie Todeszug nach Yuma oder Crank II aufnehmen, aber diese kleinen Unzulänglichkeiten machen eine Menge des Charmes des Films aus. Fans des Giallos kommen bei Masks auf ihre Kosten, denn es gibt Mord, Sex, Masken, Puppen, großartiger Beleuchtung und hübsche Schauspielerinnen zu sehen, von denen man sicher noch hören wird. Und man sollte nicht die wirklich schöne Musik vergessen, die viel zur Atmosphäre beiträgt (auch wenn der Musikkritiker evtl. den zu modernen Schlagzeugmix bemängeln würde).
FSK 18 / Erschienen bei Anolis Entertainment.
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