Ein umfassendes Buch zum Thema Zombie war schon längst überfällig. Leider sind die (mehr oder weniger) sympathischen Untoten auch hierzulande einer üblen Schmutzkampagne zum Opfer gefallen, die jedem Zombiefilm den künstlerischen Wert absprach, ja selbst von einer Scripted-Reality-Dokumentation nicht zurückschreckte. Kinder der 1980er Jahre werden sich daran erinnern, dass jedes halbwegs seriöse Magazin dieser Zeit über den schädlichen Einfluss des Horrorfilms berichtete, teils, in dem Einzelbilder aus Filmen wie „Ghostbusters“ ausgewählt wurden, die im Gesamtkontext kaum gruseliger waren als die Horrorkabinette eines drittklassigen Rummels, um die Brutalität des Horrorfilms (nur auf Video!) zu verdeutlichen. Und dann gab es da noch die bereits erwähnte gefälschte Dokumentation. Mit Laienschauspielern besetzt erzeugt „Papa, Mama, Zombie“ heute nur noch Kopfschütteln. Geschickt eingefädelt von den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten, vermutlich um die Lobbyisten des aufkommenden Kabelfernsehens zu stützen und der verfassungsmäßig geschützten Selbstbestimmung (Videofilm!) den Nährboden zu entreißen. Beinahe hätte man Erfolg gehabt. Es folgten Beschlagnahmungen unfassbar mieser Filme („Ein Zombie hing am Glockenseil“), Hetzkampagnen etc. Wer sucht, findet im Internet immer noch „Papa, Mama, Zombie“. Man sollte es gesehen haben, wo sonst hört man Sätze wie „Videotheken stammen aus dem Milieu“ oder „In Ermangelung anderer Qualifikationen nennen sie sich Videothekare“). Ja, es gab eine Zeit, in der zu bester Sendezeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen grausame Ausschnitte aus oben genanntem Film zu sehen waren, zu Bildungszwecken natürlich und viel weniger Schädlich als zur Unterhaltung auf dem damals noch wenig verbreiteten Medium des Videofilms. Folge dieser Schmutzkampagne war eine weitgehende Dämonisierung des Horrorfilms, insbesondere des Zombiefilms. Doch ist es in Deutschland vor allem „Ein Zombie hing am Glockenseil“, der den prototypischen Zombiefilm definiert. Stumpfes Geschlachte, Blut und Eingeweide. Doch der Zombiefilm kann mehr. Ja das ganze Genre des Zombies kann mehr. Jovanka Vuckovic, eine der wichtigsten Frauen des Horrorfilms, zeichnet ein umfassendes Bild von unseren untoten Freunden. Angefangen bei den haitianischen Zombies bin hin zu aktuellen Computerspielen wie „Dead Rising“ oder „Left 4 Dead 2“. Dabei wurden den wichtigsten Filmen / Spielen des Genres eigene Kapitel gewidmet („Die Nacht der lebenden Toten“, „Zombie“, Lucio Fulcis „Zombie“, „Resident Evil“, „28 Days Later“, der italienische Zombiefilm an sich etc.), auch der Zombiecomic und die Zombieliteratur kommen dabei nicht zu kurz. Dabei ist es vor allem der lockere Stil der Autorin der überzeugt und der von Ulrike Kretschmer ganz wunderbar ins Deutsche übertragen wurde (trotz einiger Übersetzungs- und Rechtschreibfehler). Vuckovic spart dabei nicht an zynischen Zwischenbemerkungen und ironischem Witz, der vor allem für ein kurzweiliges Lesevergnügen sorgt. Die journalistische Vorbildung ist hier überdeutlich zu spüren. Ein weiteres Plus von Zombies – Die illustrierte Geschichte der Untoten ist die zahlreiche Bebilderung, die den Zombie in all seiner Schönheit portraitiert und dem Thema ein Gesicht verleiht. Vuckovics Ziel war es, ein umfassendes Bild des Genres zu liefern, was ihr im Großen und Ganzen auch gelungen ist. Sicher, um einen kompletten Überblick des Genres zu schaffen, reichen 176 Seiten nicht aus, dem ist sich auch die Autorin gewiss [Vgl. horrornews.net]. Doch liefert sie neben den wichtigsten Grundinformationen auch reichlich weiterführendes Insiderwissen. Wer kann schon von sich behaupten, vor der Lektüre des Handbuchs Filme wie „Dellamorte Dellamore“, „Astro-Zombies, Roboter des Grauens“, „Hard Rock Zombies“ oder „Happiness Of The Katakuris“ gesehen zu haben? Zombies von Jovanka Vuckovic ist von nun an das Standardwerk zum Thema, eine ausgezeichneter Überblick, dem es vielleicht gelingen wird, dass Zombie- und Infiziertenfilme als Teil des anspruchsvollen Kinos begriffen werden. Lesen!
Weiterführender Link: Zur Zensurgeschichte in Deutschland geht es hier entlang.
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Zombies. Die illustrierte Geschichte der Untoten.
Knesebeck
Gebunden, 176 Seiten. 24,95€ [D]
ISBN 978-3-86873-436-2
Hinweis: Alle Artikel wurden mir von der entsprechenden Plattenfirma / dem entsprechenden Verlag bzw. Verleih zwecks Rezension kostenlos zu Verfügung gestellt. Die Rezensionen sind demnach als Werbung zu betrachten. Werbung: Wenn dir der Artikel gefällt, wirst du mein Buch lieben: The Beach Boys - Pet Sounds
Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.