Interview mit Rebecca und Megan Lovell von Larkin Poe

Larkin Poe by Brian Hall

(Photocredit by Brian Hall Photography)

Ein klein wenig aufgeregt war unser Redakteur ja schon, als er sich zum Interview mit Rebecca und Megan Lovell von Larkin Poe traf. Englisch sprechen und das mit zwei überaus hübschen Frauen aus den Südstaaten der USA? Wenn da mal nicht die Englischkompetenz versagt…

Rebecca, Megan – ihr stammt aus den amerikanischen Südstaaten? Wie ist das Wetter bei euch zu Hause?

Rebecca: Das stimmt. Wir sind in Georgia aufgewachsen. Dort ist es im Moment sehr viel heißer als in Deutschland.

Megan: … die Durchschnittstemperatur liegt bei 42 Grad!

Rebecca: Dazu ist es dann noch unglaublich schwül, also mussten wir quasi nach Europa fliehen, wo es ja deutlich kälter ist.

Ist das Leben in eurer Heimat – von den klimatischen Unterschieden einmal abgesehen – anders als in Deutschland?

Rebecca: Weißt du, das ist es wirklich! Ich glaube im Großen und Ganzen sind die Menschen überall auf der Welt relativ identisch. Selbstverständlich gibt es in jedem Land Unterschiede. Hier in Europa habt ihr z. B. so viele schöne alte Sachen, tolle Architektur usw. In den USA hingegen ist alles sehr viel neuer, denn wir sind ja auch eine recht junge Nation. Es ist folglich immer toll, nach Europa zu reisen, wo es so viele schöne Burgen, Schlösser und Kathedralen zu entdecken gibt.

Megan: Und eure Geschichte! Hier gibt es so viel Historisches!

Welche anderen europäischen Länder habt ihr bereits bereist?

Larkin Poe Bear & Deer
Photocredit by Brian Hall Photography

Rebecca: Diese Tournee führt uns zum siebten Mal nach Europa, wir haben also schon viel gesehen: Norwegen, Deutschland, Dänemark – vor ein paar Tagen waren wir zum ersten Mal dort –, Irland, Schottland, England …

Megan: … die Schweiz …

Rebecca: … und wir haben in fast allen Hauptstädten gespielt, z. B. in Amsterdam. Das ist wirklich großartig!

Gibt es denn verschiedene Reaktionen auf eure Musik? Wie nehmen die unterschiedlichen Nationen eure Musik wahr?

Megan: Ah, das ist wirklich interessant!

Rebecca: Da gibt es in der Tat große Unterschiede. Gerade wenn man die Vereinigten Staaten mit Europa vergleicht. In unserer Heimat wird im Radio beinahe ständig Popmusik gespielt, meistens Katy Perry, Britney Spears oder Justin Bieber. Sowas in der Art. Unsere Musik ist aber eher Rootsmusik, uramerikanische Musik, eher Delta Blues als Mainstreampop und sowas wird im Radio fast vollständig ignoriert. Unsere Musik führt in den USA also eher ein Schattendasein. Wenn man dann durch die Städte reist, trifft man plötzlich eine Subkultur, die sehr interessiert an unserer Musik ist. Diese Menschen sind nur gekommen, um uns zu hören und um Spaß an der Musik zu haben. Nicht etwa um sich zu betrinken! In Europa bemerken wir eine ganz andere Wertschätzung der amerikanischen Musik. Sie wird hier sehr viel mehr gewürdigt als in ihrem Ursprungsland – kannst du dir das vorstellen? Wir kommen hier her und spielen amerikanische Songs, die in den Staaten niemals im Radio gespielt werden. Es ist auch schön, vor einem Publikum aufzutreten, das uns zu schätzen weiß und versteht, wofür unsere Musik steht. In Europa denkt man nicht abwertend über alte Musikstile, was sehr erholsam ist. Roots Musik ist wahrscheinlich das tollste auf der Welt aber es ist definitiv nicht hip und cool, vor allem nicht in den USA. Für viele Menschen ist das ein Grund, uns nicht zu beachten. Qualitativ anspruchsvolle Musik wird leider oftmals unter den Teppich gekehrt.

Megan: Hinzu kommt, dass in Europa alles sehr viel kompakter ist, die Länder viel kleiner sind. Die Vereinigten Staaten sind sehr weitläufig und dort leben so viele Menschen. Selbstverständlich ist es dadurch schwer, den Durchbruch zu schaffen, denn es gibt zahlreiche Bands. Wenn man durch Europa tourt, hat man Möglichkeiten, die in den USA so nicht ohne weiteres bestehen, z. B. in verschiedenen Ländern zu spielen, ohne sich dabei zu verausgaben.

Wann habt ihr mit der Musik angefangen?

Megan: Als wir noch sehr jung waren haben unsere Eltern uns klassische Violine lernen lassen. Mit vier oder fünf Jahren fingen wir mit der Violine an, es kam Klavierunterricht dazu. Irgendwann als Teenager haben wir dann Bluegrass gehört und das hat uns völlig überwältigt. Wir haben die alten Instrumente stehen lassen und uns an Bluegrassinstrumente gewagt. Rebecca hat Gitarre und Mandoline gelernt, ich Dobro und von da an hat sich unsere Musik dann langsam entwickelt. Seit ich die Lapsteel spiele, wurden wir elektrischer, sind etwas vom traditionellen Bluegrass abgewichen.

Rebecca: Inzwischen spielen wir mehr Folkrock als die Leute von uns erwarten. Wie Megan bereits sagte sind wir jetzt sehr viel elektrischer geworden, haben die akustischen Momente deutlich reduziert. Seit wir vor zwei Jahren Larkin Poe gegründet haben, begannen Megan und ich damit, unsere eigenen Songs zu schreiben. Da mischt sich dann alles zusammen, was uns immer umgeben hat. Klassische Musik ebenso sehr wie Rockmusik – seien es die Rolling Stones, Fleet Foxes, Mumford and Sons oder amerikanische Urgesteine, z. B. Bob Dylan, Fleetwood Mac oder The Band. Als wir klein waren, wurde bei uns zu Hause so viel verschiedene Musik gespielt. Unsere Musik hat die verschiedensten Einflüsse, wird aber oft als Folkrock kategorisiert. Trotz der überdeutlichen Blues, R’n’B und Souleinflüsse. Wir sind da äußerst amerikanisch geprägt, denn wenn man im Süden der USA aufwächst, ist man von wahnsinnig viel Musik umgeben. Besonders in Georgia und Tennessee. Wir sind stolz darauf, in diesem musikalischen Schmelztiegel aufgewachsen zu sein.

 

Ihr geht fast euer ganzes Leben lang auf Tournee. Früher als „The Lovell Sisters“, zusammen mit eurer Schwester Jessica, heute als „Larkin Poe“. Habt ihr neben eurer musikalischen Karriere ein normales Teenieleben führen können?

Rebecca: Wir mussten eigentlich auf nichts verzichten, weil wir unsere Arbeit wirklich lieben. Wenn man professioneller Musiker ist, gibt es immer diese falsche Vorstellung anderer Menschen, dass man etwas tun muss, was man nicht wirklich tun will, ein Zwang dahinter steht. Aber für uns ist Musik alles auf der Welt. Wenn wir nach Hause kommen, schreiben wir neue Songs, wir üben und machen eigentlich ständig Musik. Für uns funktioniert das völlig einwandfrei. Ich würde sagen, dass Musik mein Leben ist und nichts anderes zählt. Wie siehst du das, Megan?

Megan: Definitiv. Wir haben unser Hobby zum Beruf gemacht.

Rebecca: Unsere Leidenschaft! Also als Musiker hat man eigentlich kein Leben außerhalb der Musik – aber das ist ja etwas Gutes. Wenn man wirklich liebt was man tut, hat man damit nicht das geringste Problem. Fast jeder Mensch sucht im Leben etwas, das er liebt und wünscht sich einen Job, den er mit Leidenschaft ausüben kann. Für uns ist es ein großer Segen, als Musiker Erfolg zu haben, denn es füllt uns völlig aus.

Megan: Oder wolltest du wissen, wie man als junger Mensch mit dem Tourstress zu Recht kommt?

Es scheint immer so, als gingen die Menschen in einen Raum, wenden einen Voodoozauber an und haben dann einen neuen, fertigen Song geschrieben.

Ja. Genauer gesagt möchte ich wissen, wie man die Schule etc. damit vereinbaren kann.

Rebecca: Oh! Wir wurden zu Hause von unserer Mutter unterrichtet.

Megan: Später haben wir dann auch studiert, allerdings meist online.

Das ist interessant, denn in Deutschland gibt es eine Schulpflicht und nicht, wie in den USA, eine Beschulungspflicht, Unterricht zu Hause ist also fast unmöglich, außer mit einer Sondergenehmigung.

Rebecca: Nun, das funktioniert eigentlich auch nur, wenn man dafür geschaffen ist. Dann ist es toll. Aber für uns war es schon schwierig. Wenn man viel unterwegs ist, hat man für so etwas wenig Zeit und dann muss man seine Abschlussarbeiten plötzlich auf einer Fähre schreiben oder wo auch immer. Das ist natürlich sehr stressig, aber Gott sei Dank sind wir damit inzwischen fertig. Selbstverständlich werden die Arbeiten extern korrigiert, eine Kooperation mit verschiedenen Universitäten in den Staaten. Dort gibt es verschiedene Onlineprogramme. So haben wir das alles gut unter einen Hut bekommen.

Megan: Mit dieser Freiheit hatten wir genügend Zeit ausgiebig zu touren. Hätten wir zur Schule gehen müssen – wir hätten niemals die Zeit gefunden, fünf Jahre am Stück zu touren.

Rebecca: Stell dir mal vor, wir wären noch jeden Tag zur Schule oder zur Uni gegangen!

Was ist denn das Konzept hinter eurer „A Band For All Seasons“ Box?

Rebecca: Als wir vor zwei Jahren mit Larkin Poe begonnen haben, wollten wir uns selbst einem positiven, kreativen Druck aussetzen und in einem relativ kurzem Zeitraum viel Musik schreiben. Das hieß für uns: Wir hatten vor, vier Platten aufzunehmen, Spring, Summer, Fall, Winter und wir mussten diese Alben natürlich mit Musik füllen. Dadurch sind wir sehr schnell gewachsen, besonders als Songwriter.

Megan: Bis dahin haben wir eigentlich gar keine eigenen Songs geschrieben. Das war auch ganz ok für uns, denn so hatten wir die Möglichkeit, völlig befreit darauf loszuschreiben.

Rebecca: Daraus ist eine viel coolere Erfahrung geworden als wir am Anfang dachten. Mit jeder Jahreszeit habe ich mich verändert und als Komponistin entwickelt. Im Nachhinein finden wir, dass die Jahreszeiten spürbar werden, wenn man sich die Alben anhört. Die Menschen können sich hinsetzen und sich die EPs anhören und dabei die Veränderungen der Jahreszeiten spüren. So ist Spring sehr leicht und luftig dargestellt, Summer ist heiß und ab Fall wird es dann immer düsterer. Das hat viel Spaß gemacht.

Wie entstehen eure Lieder denn genau?

Megan: Wir beobachten beide sehr gerne andere Menschen, hören ihren Geschichten zu. Denn wir versuchen auch, Geschichten zu erzählen. Ich weiß gar nicht, ob der Text oder die Melodie zuerst da ist. Viele Menschen fragen uns danach aber ich denke, das variiert von Song zu Song. Rebecca, was denkst du darüber?

Rebecca: Als ich damit begonnen habe, Songs zu schreiben, war ich noch sehr nervös. Der ganze Prozess hat mit Angst gemacht. Es scheint immer so, als gingen die Menschen in einen Raum, wenden einen Voodoozauber an und haben dann einen neuen, fertigen Song geschrieben. Anfangs hat uns das sehr verunsichert. Aber wir haben herausgefunden, dass man die Fähigkeit, Songs zu schreiben trainieren kann. Je mehr man schreibt, desto besser wird man. Ich musste das richtig lernen. Und dann setzt man sich auch nicht immer hin und schreibt sofort. Dann muss man sich dazu zwingen. Wie gesagt ist es immer hilfreich, fremde Leute zu beobachten und man darf auch nicht meine Schwester unterschätzen: Wenn sie mir ihren neuen Song vorspielt, treibt mich das an.

Megan: Typische Geschwisterrivalität! Wenn man aufmerksam durch die Welt geht und viel liest, ist das übrigens enorm hilfreich. Da fliegt einem vieles zu. Nebenbei: Hast du schon unsere neue EP „Thick As Thieves“ gehört?

Ja klar! Ich finde sie ziemlich gut, besonders gefällt mir die Live-DVD. Das Ambiente des Konzerts war aber schon etwas sonderbar, oder?

Rebecca: Die Kostüme! Die Geschichte dahinter: Wir haben die DVD in Norwegen aufgenommen. Im nördlichen Teil Norwegens. Wir haben dort in einer Mittelalterkneipe gespielt wo es keine Elektrizität gibt, alles wird mit Kerzen beleuchtet, man isst mittelalterliches Essen und alle sind der Zeit entsprechend gekleidet. Die Besitzer des Ladens haben uns dann gefragt, ob wir nicht auch diese Kleider tragen wollen und wir haben gleich zugestimmt. Du hättest die Schuhe sehen sollen!

Megan: Oh ja, die Schuhe!

Rebecca: Die Zehenspitzen waren riesig. Und diese Ärmel. Richtig schwer, damit Mandoline zu spielen! Die waren wie Schmetterlingsflügel! Wir hatten so viel Spaß, aber es war schon ziemlich verrückt. Verrückt aber schön.

Ein älteres Interview mit Rebecca Lovell zur „Spring EP“ findet sich hier. Das Interview führte Julian Auringer von diekopfhoerer.eu.

 

Hinweis: Alle Artikel wurden mir von der entsprechenden Plattenfirma / dem entsprechenden Verlag bzw. Verleih zwecks Rezension kostenlos zu Verfügung gestellt. Die Rezensionen sind demnach als Werbung zu betrachten.
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