
Das Wetter hätte schlechter nicht sein können, denn es regnete in Strömen. Und doch war es die menschenfeindliche Witterung die einen perfekten Rahmen schuf, um die Lyoner Band Ödland zu hören. Feinkost Lampe, ein für sich genommen schon überaus seltsam-sympathischer Auftrittsort, der an alte Jazzclubs oder Herrensalons erinnert, mit seinen bunt zusammengewürfelten Sitzgelegenheiten und Tischen, bot das bestmögliche Ambiente. Während es draußen ohne Unterlass regnete spielte also die Band, deren Sound wirklich völlig eigenständig ist, sich auf Ragtime ebenso bezieht wie auf Klassik und Chanson. Ja sogar psychedelische Elemente nutzt man. Selten erlebt man eine Band, die ohne den üblichen Effektterror auskommt, auf Posen verzichtet und dennoch zu fesseln versteht, selten sieht man eine Frontfrau, die so unschuldig skandiert und mit jeder Menge Charme die Hörer verzaubert. Aber auch die übrigen Bandmitglieder wussten zu überzeugen, eine Atmosphäre zu zaubern, die den Hörer zurückversetzt in eine längst vergangene Zeit. Die Illusion ist schlicht perfekt und so gelang es dem Quartett, die Masse für eine Stunde aus dem tristen Alltag zu entführen. Das vorgetragene Material, größtenteils aus dem genialen Sankta Lucia stammend (Review folgt), überzeugte restlos, besonders Östersund tat sich hier hervor, ein psychedelisches Stück mit Farfisa Orgel und sirenenhaftem Gesang (wer Sirenen nur von Feuerwehr- und Polizeiautos kennt, sollte schleunigst im nächsten Buchladen nach Homers Odyssee Ausschau halten) . Sankta Lucia auf der Bühne zu sehen, mit den tollen Kostümen, allerlei Spielzeug, singender Säge, Violine und vielem mehr ist ein Erlebnis, dass sich weder frankophile noch künstlerisch interessierte Hörer entgehen lassen sollte. Ödland lebt von seinem fabelhaften Grundkonzept, den durch die Reihe talentierten Musikern und der geschaffenen Lebenswelt. Lorenzo Papace, Isabelle Royet-Journoud, Alizée und Léa Bingöllü sind Magier in einer aufgeklärten Welt, erweitern die Musik um ein neues, spannendes Kapitel. Worauf wartet ihr frankophilen? Hingehen!
Alle Fotos: Photocredit (c) 2012 by Julian Auringer für diekopfhoerer.eu
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.