Interview mit Götz Alsmann zum Album “In Paris”

Götz Alsmanns neues Album „In Paris“ widmet sich voll und ganz dem französischen Chanson. Der promovierte Musikwissenschaftler und Honorarprofessor, der seine Musik gerne auf einem alten japanischen Hammondorgelimitat spielt, ging nach Paris, um in einem der wohl berühmtesten Studios Frankreichs, in dem bereits Serge Gainsbourg, Charles Aznavour aber auch Black Sabbath Musikgeschichte schrieben, ein fantastisches Album aufzunehmen.

Götz Alsmann In Paris
Photocredit: Jérome Bonnet, (c) by EMI Music Germany

Julian Auringer: Ein Interview um 9.30 Uhr – Sind sie ein Frühaufsteher oder haben sie im Moment Tourneestress?

Götz Alsmann: Ich bin notgedrungen Frühaufsteher. Als Familienvater kommt man ja fast nicht drumherum.

Ach so! Was hat sie denn dazu bewegt, ein Album mit eingedeutschten Chansons aufzunehmen?

Die einfache, technokratische Antwort wäre: Wir haben auf verschiedenen Platten immer wieder versucht, Klassiker der französischen Unterhaltungsmusik einzudeutschen und zu singen. Es war jetzt mal an der Zeit, das zu bündeln und ein ganzes Konglomerat französischer Nummern zu machen. Zumal der Wunsch auch stark war, ein Albumkonzept, also ein nachvollziehbares, programmatisches Grundkonzept zu entwickeln. Das bot sich dermaßen organisch und natürlich an, dass wir einfach zugreifen mussten. Und natürlich war die Aussicht sehr reizvoll, das Album in Paris einzuspielen. Das war von vornherein Teil des Plans.

Warum ausgerechnet Paris?

Ein Album mit französischen Chansons nimmt man nicht in Reykjavik auf.

Sie haben dort im „Studio Ferber“ aufgenommen. Hat man da so einen gewissen Respekt vor, oder nehmen sie sowas nicht mehr wahr?

Ich war im Februar da, ein paar Monate, bevor wir mit den Aufnahmen begannen und habe mir das mal angeschaut. Der Respekt… Ich will nicht sagen der Respekt schwindet, aber er relativiert sich, wenn man sieht, was das für eine Bude ist. Es ist eigentlich mehr das Bewusstsein für die historischen Stätte. Klar, man denkt sich: „An dem Flügel hier haben schon Aznavour und Bécaud gesessen… Dieses Mischpult wurde schon in Gang gesetzt bei uralten Trenet und Henri Salvador Aufnahmen.“ – Man denkt schon darüber nach, zwar nicht die ganze Zeit, aber hin- und wieder.

[quote]Die Kompromisslosigkeit dem reinen Schlager gegenüber ist teilweise schon erschreckend.[/quote]

Und nicht zuletzt hat da auch der große Serge Gainsbourg aufgenommen. Der hat dort ja quasi sein zu Hause gehabt…

Ja, der hat mehr oder weniger darin gewohnt.

Obwohl er ja dann immer im Ausland aufgenommen hat. In England…

Später, viel später!

Stimmt, das waren ja die ersten Platten. Nach welchem Auswahlkriterium haben sie die Chansons zusammengestellt? Wie entstanden dann die Arrangements und die deutschen Übersetzungen?

Ein Teil des Materials bestand wirklich aus alten Lieblingstücken, die wir immer schon mal machen wollten, gerade die beiden Gainsbourg-Stücke gehören dazu. Dann ist es natürlich auch so, dass man, um das Konzept auch zu verdeutlichen, nicht nur obskure Stücke nehmen kann. Uns war schon von vornherein klar, dass wir auch tatsächliche – ich möchte nicht Gassenhauer sagen – aber eben auch Standards, die sofort eine Assoziation zum Thema Frankreich, gerade Paris, hervorrufen, nehmen müssen. Dann entstehen die Arrangements, bei mir immer ganz traditionell am Schreibtisch. Zu Hause, in aller Ruhe. Gelegentlich hastet man dann auch mal zum Flügel und probiert aus, ob das alles so stimmt…

Mit Stift und Papier…

Genau. Ich bin jemand, der noch traditionell richtige Arrangements mit Noten schreibt. Also mit Bleistift und Notenpapier. Aber um auf ihre Frage zurückzukommen: Der richtige Weg, ein Chanson zu Übersetzen ist, erst mal den Inhalt zu verstehen. Denn bei englischen und amerikanischen Liedern wurde oft sehr kurz gegriffen. Zeile für Doppelzeile – irgendwie wird’s schon gehen. Da die französischen Lieder wirklich Geschichten erzählen, oder doch sehr ausweitend Zustände beschreiben, wär‘ es doch schön, das Gesamtsortiment erst mal vorher verstanden zu haben, bevor man dann die Sache angeht. Das geht bei den französischen Liedern tatsächlich ganz gut, wenn man sie sich Zeile für Zeile vornimmt.

Bevorzugen sie die Easy-Listening-Variante des Chansons, also diese Bossa-Nova-Richtung oder eher die brummeligen Romantiker wie z. B. Brassens?

Als Konsument teilen sich meine Vorlieben relativ gleich auf, als Interpret liegt mir sicherlich die erste Variante mehr.

Haben sie eigentlich Vorbilder?

Mehr Inspirationen als Vorbilder. Natürlich haben mich als junger Bursche alle klavierspielenden Sänger sehr beeindruckt. Nat King Cole, den fand ich wirklich immer am besten…

Unter welchen Gesichtspunkten wurde das Aufnahmeteam für das neue Album zusammengestellt? Von der Stammband einmal abgesehen geht es mir da eher um das technische Personal.

Es ist natürlich so gewesen, dass diese ganze Geschichte von Blue Note Records organisiert wurde, das ist die Firma, bei der ich unter Vertrag stehe – die sind weltweit vertreten. Es gibt ein sehr aktives französisches Standbein von Blue Note und die haben das Team, zusammengestellt. Die haben sich um den richtigen Tonmeister gekümmert, um den richtigen Produzenten bemüht…

Blue Note standen also komplett hinter dem Projekt?

Absolut. Der Produzent Régis Ceccarelli, der ist vor etwa fünfzehn Jahren auch als Sänger für Blue Note tätig gewesen und als Schlagzeuger entstammt er einer wirklich berühmten Dynastie französischer Drummer. Aber er hat sich dann komplett aufs Produzieren verlegt und seine Spezialität sind eben, neben vielen anderen Dingen, auch diese jazzhaften, traditionsgebundenen Musikstile.

Wie stehen sie zum Nouvelle Chanson? Also Benjamin Biolay, Coralie Clément…

Soweit ich das mitbekomme gefällt es mir. Eine popmusikalische Erneuerungsbewegung, auch ein Rückbesinnen auf bestimmte Qualitäten und musikalische Traditionen, im komponieren, arrangieren, im runterfahren des Aufwandes – etwas, was in unserem Schlager ja teilweise durchaus auch passiert. Auch inspiriert durch die Franzosen.

Aber in Deutschland haben wir ja eine ganz andere Einstellung zu unseren traditionellen Liedern, als die Franzosen. Wenn Franzosen „La Mer“ hören, ist das ein ganz anderer Zugang als die hiesige Rezeption eines Stückes von Hildegard Knef…

Ja, das ist leider so. Das hängt u. a. auch damit zusammen, dass sich bei uns der Generationenkonflikt in den 60er und 70er Jahre weniger über die Musik, als vielmehr über die benutzte Sprache ausgedrückt hat. Aber Hildegard Knef ist ein Beispiel, das noch ganz gut funktioniert. Die Kompromisslosigkeit dem reinen Schlager gegenüber ist teilweise schon erschreckend.

Es gibt ja nun ein paar Interpreten, die es schaffen, das die Menschen wieder zuhören, das finde ich sehr schön.

Ich freue mich zumindest, dass es für mich jetzt schon so lange funktioniert. Aber diese Problematik, die Sie ansprechen, ist manchmal entmutigend, gerade wenn man vor allem im Rundfunk versucht Spurenelemente dieses neuen Lieds/Schlagers/Chansons – wie sie das auch immer nennen wollen – in Deutschland zu finden. Man hört fast nichts davon.

Nun, falls alle Stricke reißen, können sie ja immer noch als Musikwissenschaftler arbeiten, die Professur haben sie ja vor wenigen Monaten verliehen bekommen.

Ja, aber erst im Februar werde ich anfangen. Allerdings: Es handelt sich um eine Honorarprofessur und das heißt im Gegensatz zu diesem schön klingenden Wort: Man bekommt nichts dafür, sondern versucht einfach sein Wissen als akademischer Quereinsteiger weiterzugeben.

Das Gespräch führte Julian Auringer für diekopfhoerer.eu.

Hinweis: Alle Artikel wurden mir von der entsprechenden Plattenfirma / dem entsprechenden Verlag bzw. Verleih zwecks Rezension kostenlos zu Verfügung gestellt. Die Rezensionen sind demnach als Werbung zu betrachten.
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