Zack Snyders Sucker Punch – ein Film, der völlig zu Unrecht lange Zeit im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand. Aber warum eigentlich fragt man sich zu Recht, denn das Fantasymärchen im Stil eines Videospiels hat nichts, aber auch gar nichts zu bieten, was es so oder so ähnlich nicht bereits in anderen Filmen gab (außer einer wirklich heißen Schauspielerlinnenriege, die optisch aber kaum etwas mit ihren realen Pendants gemein haben). Sei es Inception, Mulholland Drive oder Der Zauberer von Oz – alles bereits dagewesen. Inception war die intelektuelle, gewitzte Kapitulation gegenüber der klassischen Erzählkunst, dem sich abwenden von realen Handlungsräumen, verlegt ins irreale Gedankengeflecht. Mulholland Drive spielte mit der Identität seiner Protagonisten, wie es David Lynch so oft tut, wenn er wieder einmal Einzelbilder zu einem Ganzen verbindet und sich ob der fehlenden Logik in plumpem Symbolismus verliert und doch immer den gleichen Experimentalfilm dreht, der mit Inland Empire seinen (gelungenen) Höhepunkt fand, sich aber spätestens seit Lost Highway immer wieder selbstreferenziert. Der Zauberer von Oz, ein früher Vorreiter des heutigen In-Mind-Films, dem ins Gehirn des Protagonisten verlegten Ort des Geschehens, ist jedoch der wohl eindeutigste Einfluss auf Snyders Film. Snyder, der mit Watchmen eine recht gelungene Comicumsetzung des wohl wichtigsten Vertreters seiner Art schuf und sich mit 300 in einer arischen Überlegenheitsmentalität verlor, hat nun die Lolita für sich entdeckt. Mit Baby Doll und ihren Gespielinnen zitiert er nicht nur asiatisches Genrekino (überhaupt ist alles, was in den letzten 10 Jahren vermeintlich das Kino motivisch oder erzähltechnisch erneuert haben soll entweder im Italotrash der 70er/80er Jahre oder im asiatischen Genrekino zu finden, sei es nun Kill Bill, Saw, The Ring oder Sucker Punch) sondern auch Dorothy Gale (gespielt von Judy Garland), die gerade so erwachsen geworden ist und eine wahrgewordene Männerfantasie verkörpert. Was bei Der Zauberer von Oz noch gut gelöst wurde, verkommt in Sucker Punch zur (selbstironischen) Farce: Während Dorothy Gale plötzlich in einem farbenprächtigen Land erwacht, dass so gar nichts mit ihrer schwarz-weißen Realität in Kansas zu tun hat, dort einige Abenteuer erlebt und letztendlich umringt von Farmarbeitern erwacht, die in ihrem Traum als Fantasygestalten zu finden waren, der Film also letztendlich ein Traum war (Inception zitiert hier übrigens en Masse), so ist die Erwachungssequenz in Sucker Punch so grenzdebil bis ins Kleinste erklärt, dass man mit dem Kopf auf die Tischplatte schlagen möchte.

Toll gelöst jedoch der Anfang: Baby Doll muss leiden. Ihr Vater ermordet Mutter und Schwester, lässt seine überlebende Tochter als vermeintliche Mörderin in eine Irrenanstalt einweisen, besticht dort die heimliche Heimleitung, einen schmierigen kleinen Mann, der dem Aussätzigen aus 300 in nichts nachsteht und natürlich (typisch für Snyder) fremdländisch aussieht. Dieser sorgt dafür, dass Baby Doll lobotomiert werden soll. Bis dahin hat sie eine Woche, die in wenigen Sekunden erzählt wird. Während der Lobotomie jedoch wechselt die Handlungsebene. Baby Doll projiziert sich auf Sweet Pea, die im „Theater“, dem Gemeinschaftraum des Sanatoriums, immer wieder ihren Missbrauch nachstellte. Plötzlich gewinnt der Film an Farbe, in einem selbstreflexiven Monolog erfährt der Zuschauer, dass man mit Lolitas, hilfsbedürftigen Opfern und Irrenanstaltsszenarien zwar kurzzeitig unterhalten könne, aber man mehr braucht, um zu fesseln. Die Lobotomie ist hier nur eine Theaterinszenierung und so findet man sich in einem Bordell wieder (Seitenhieb auf Moulin Rouge), dass von der eigentlichen Heimleiterin Madame Gorski (wirklich sehr sexy: Carla Gugino) geleitet wird. Hier muss Baby Doll nun einige Aufgaben bestehen, also Dinge stehlen. Um dies zu erreichen, tanzt sie allerlei widerliche Männer an, ihre Tänze hingegen werden durch computerspielartige Sequenzen dargestellt. Dort kämpft man gegen Deutsche Zombies, Japaner, Aliens und was sonst noch so alles in Computerspielen als Gegner herhalten muss (oder eben in amerikanischen Kriegsszenarien – hier eine Parallele zu erkennen, sei jedem selbst überlassen). Sind die Tänze geglückt, so wurden die Aufgaben erfüllt, die Quests gewonnen. Das am Ende eben doch die Lobotomie steht und nur Sweet Pea entkommt, denn um sie geht es im Film eigentlich, sie ist Baby Dolls Projektionsfläche, die Sweet Pea in den Theaterinszenierungen auch mimt, ist nur logisch.

Einige Kritiker werfen Snyder vor, sein neuster Film sei Frauenverachtend und sexistisch. Das stimmt so nicht. Ja, die Frauen sind allesamt Männerfantasien. Asiatin, Lolita, Kampfamazone, Osteuropäerin – alles da, möglichst knapp bekleidet und aufreizend (und das ist etwas, was Snyder wirklich geglückt ist!). Doch was ist mit den Männern? Es gibt genau zwei, die nicht restlos böse sind. Da wären der Questmaster (also der spätere Busfahrer) und der Arzt, der die Lobotomie vornimmt. Der Rest ist widerwärtig, gemein. Ein klares Bild also. Mann böse und hässlich, Frau sexy und grundsätzlich Opfer. Ist das sexistisch? Ja, gegenüber Männern. Da wird in Hoden getreten, Kehlen durchgeschnitten, geschlagen, ganze Legionen niedergemetzelt. Ein durch und durch feministischer Film.

Warum sind aber nun die Protagonistinnen auf ihre Körper reduziert? Nun, es gibt zwei Gründe, einen Film zu gucken: Entweder man identifiziert sich mit einem gleichgeschlechtlichen Helden, der ein Ideal verkörpert (im Märchen z. B. der gute Prinz) oder man schaut sich ein besonders hübsches Exemplar des anderen Geschlechts an (z. B. das weibliche Opfer). Wenn nun aber ein Teil fehlt, so ist der Film immer im Sinne des anderen ausgelegt. Sprich auf diesen Film bezogen: Die selbstständigen, hübschen Frauen. Am Ende des Films jedoch steht wieder einmal ein Snyder-typischer Aufruf an seine Zuschauer, wie wir ihn schon aus seinen anderen Werken kennen und der ganz im Sinne des menschenverachtenden 300 steht: Kämpfe!

Dennoch hat der Film Unterhaltungswert. Es macht einfach Spaß, das Hirn abzuschalten und hübschen Frauen dabei zuzusehen, wie sie Männern in den Arsch treten. So traurig das auch ist.
Erschienen bei Legendary Pictures / Cruel And Unusual Films / Warner.
Film:[xrr rating=2/5]
Funfaktor:[xrr rating=4/5]
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