Peter Gabriel – Scratch My Back

Realworld / Virgin / Emi

Peter Gabriel ist ein Musiker, der es liebt, zu experimentieren. Er versucht Grenzen zu sprengen – sei es in seinen Bühnenshows oder auf seinen Alben. So sind seine Alben meist ein Mix aus den verschiedensten Einflüssen, die er sowohl aus der Weltmusik als auch der aktuellen Popmusik zieht. Nach seinem letzten Album UP sollte I/O folgen, zwischenzeitig erschien der tolle Soundtrack zu Long Walk Home, der mich erst zum Fan seines Solowerks machte. Viele Fans sind verärgert, dass I/O nun immer noch nicht veröffentlicht wurde und stattdessen ein Album mit klassisch arrangierten Popsongs folgt. Einige Fans fangen sogar an, mit wilden Beleidigungen um sich zu werfen, als sei Peter Gabriel ihnen irgendwie verpflichtet. Langweilig sei sein neues Album. I/O sei viel besser, er soll doch lieber bei Rock And Roll Hall Of Fame Ehrung einen alten Genesisklassiker spielen, muss ja auch nicht perfekt sein. Kann ich nicht nachvollziehen. Von I/O habe ich noch keinen Ton gehört und Genesis sind Geschichte. Ihr müsst euch eine neue Lieblingsband suchen. Und – darf ein gestandener Künstler nicht auch einmal etwas Anderes ausprobieren? Steht er in der Schuld der Fans? Nein. Peter Gabriels neues Album ist sicherlich ein harter Brocken. Es gibt Menschen, die nicht fähig sind, die Originalversionen zu vergessen, sie erwarten eine Interpretation im typischen Gabrielstil. Das das etwas langweilig werden könnte, hat sich sicher auch der Künstler gedacht. Also macht er es rein Orchestral. Ohne Schlagzeug (von My Body Is A Cage mal abgesehen), ohne Gitarren. Die Arrangements erinnern an moderne Klassik, mehr Ligeti als Wohlfühlklassik. Dass Heroes da nicht nach David Bowie klingt ist klar. Listening Wind hat es geschafft, mich für die Talking Heads zu begeistern, die ich bisher gemieden habe. The Power Of The Heart klingt nach Gabriel, ebenso My Body Is A Cage. Après Moi, textlich hätte es auch auf das dritte Gabriel Album gepasst – oder auf UP, ist intensive, Flume rührt zu Tränen. Street Spirit ist harter Stoff, aber passend. Weniger passend ist da Waterloo Sunset, zu Recht ein Bonustrack. Der Fluss des Albums wäre gestört worden. Was erwartet also den Hörer? Eine ruhige aber niemals einschläfernde Platte mit klassischen Arrangements, die nicht kitschig sind. Coverversionen, die nicht wirklich den Originalsong wiedergeben. Genau da liegt die Stärke des Albums: Gabriel ist es gelungen sich Fremdmaterial anzueignen, es durch den Wolf zu drehen und zu einer typischen Gabrielplatte zusammenzufügen. Hörer, die dabei die Originale nicht kennen (oder die nicht krampfhaft auf das Original schielen) sind dabei klar im Vorteil. Kein echtes Gabriel Album? Das ich nicht lache!

Gabriel hat in diversen Interviews schon angekündigt, er würde demnächst noch ein Album im selben Stil veröffentlichen. Ob das nun vor I/O passiert, sei, auch von Gabriels Seite aus, dahingestellt.

Hinweis: Alle Artikel wurden mir von der entsprechenden Plattenfirma / dem entsprechenden Verlag bzw. Verleih zwecks Rezension kostenlos zu Verfügung gestellt. Die Rezensionen sind demnach als Werbung zu betrachten.
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