
Da gibt es diese umwerfende Frau, deren Blick mir immer wieder das Gefühl gibt, nur ich würde auf der Welt existieren. Wenn wir zusammen in einem Kurs sitzen und sie zu mir hinüberschaut, schießt das Adrenalin in die Adern und meine Halsschlagader pulsiert. Wie einst bei Medusa ist es für mich nahezu versteinernd, sie anzusehen und zu wissen, dass nie sein wird, was ich mir erhoffe. Nun, ich rede nicht von Rebekka Bakken, obwohl es einem bei ihr schon ähnlich ergehen kann. Vielleicht sogar um ein vielfaches schlimmer. Es besteht durchaus ein Unterschied zwischen der beschriebenen Bekannten und der nahezu 18 Jahre älteren Jazzlady. Rebekka Bakken ist nicht nur die Frau, die einen an den Rande des Wahnsinns zu führen vermag, durch einen Blick, eine Drehung oder ihre pure Anwesenheit, ihre Ausstrahlung (hätte der alte Benjamin sie gekannt, er hätte ein neues Fallbeispiel für seine Theorie um die Aura gehabt) ihr erhabenes Wesen, ihre sirenenhafte Stimme. Aber in ihr steckt auch immer wieder das Mädchen von Nebenan, dass man schon seit der Kindheit kennt und mit dem man in Nachbars Garten Kirschen geklaut hat; das Mädchen in Jeans und dem Hemd des Vaters, jenes Mädchen, dass man erst in der Pubertät als Frau begreif. Sie weiß genau um ihre Macht und spielt damit. „Ich fühle mich heute nicht besonders… ist ein Arzt hier?“ fragt sie auf ihre unnachahmliche Art und einige Männer rufen: „Ja!“ – sie werden von ihren Frauen mit Blicken gestraft.
Der Auftritt in Burgwedel war auf traurige Art sicher Einzigartig. Die Besucher – nicht etwa wegen der faszinierenden Jazzsängerin gekommen – anwesend, weil man da eben hingeht. Das sonstige Programm? A-Capella Bands und… Ach reden wir nicht darüber! Meine Nachbarin beschwert sich noch, zu spät hereingelassen worden zu sein (10 Minuten!) und Rebekka Bakken sei ja so oder so nicht so toll, sie hätte sie auf ARD gesehen. Sie schlage aus ihrem Aussehen Kapital. Ein bisschen mehr Respekt vor der Lady, meine Damen! Die Herren wollen sie auf einen Kaffee einladen? Wo bin ich da nur hineingeraten? Und die Bakken muss in die untersten Schubladen greifen, um das Publikum auf ihre Seite zu ziehen, nach vielen Versuchen, die bei einem Jazzpublikum immer funktionieren (sie lobt auf genial-zynische Art den Auftrittsort). Das sonst so lange So Ro ist, Publikumsbedingt, denkbar kurz und auch nicht so hart wie sonst (Post Rock zu Soft Rock) und wird auch nicht sonderlich bejubelt. Ich erinnere mich an andere Konzerte, wo das Publikum hier beinahe ausgerastet ist vor Verzückung. Aber dann kommt der magische Moment: Sie spricht und singt auf Deutsch! Einen Ludwig Hirsch Song. Das Publikum ist begeistert. Als Künstler würde ich mir wünschen, dass meine eigenen Stücke den Applaus bekommen, so wie man es sonst bei ihr gewohnt ist.
Besonders hervorheben möchte ich die neue Band. Dank soundtechnischen Fehlern musste der Gitarrist diverse außerplanmäßige Soli spielen, die sehr, sehr gut waren. Nur Larry Danielsson habe ich vermisst. Rebekka Bakken ist eine Naturgewalt, die in gegebenem Rahmen leider nicht viele zu verschlingen vermochte. Aber wer nicht die neue Schülerband erwartete oder einfach besonders offen war, konnte einen wunderschönen Abend verbringen und über publikumstechnische Fehlgriffe hinwegsehen (erst über die Dame meckern und dann nach der Zugabe auf die Uhr gucken und sich beschweren, dass das Konzert zu kurz war). Trotz dieses Störfaktors war das Konzert nämlich gewohnt phänomenal. Besonders schön: Sie hat Time After Time, dieses fürchterliche Cindy Lauper Stück, nicht gesungen! Denn Rebekka Bakken weiß zu verzaubern und man liegt ihr nach kürzester Zeit zu Füßen. Wir Männer mögen es, von Frauen schlecht behandelt zu werden? Ja, aber nur, wenn sie es ist!
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.