Jedes Jahr das gleiche Dilemma: Was soll man bloß heilig Abend hören? Die Kopfhörer bieten einen Überblick über wirklich schöne Releases, die man, ganz ohne sich zu schämen, hören kann und bei der auch Mama und Papa ihren Spaß haben sollten. „Elf“ wurde jetzt mal nicht berücksichtigt, die CD wurde ja schon am Sonntag bewertet.
„The Jethro Tull Christmas Album“ ist zu Weihnachten immer meine erste Wahl. Die CD versprüht ab dem zweiten Track wirklich richtig schöne Weihnachtsstimmung. Ian Andersons Stimme hat zwar gelitten, hier klingt sie aber ungewohnt frisch (kein Vergleich zu z.B. „The Orchestral Jethro Tull“ usw.). Die Flöte fügt sich zwischen Mandolinen, Gitarren und Glocken wunderbar ins Gesamtbild des Albums ein, selbst Menschen, die sonst einen Generalhass gegen Jethro Tull hegen, mögen diese Veröffentlichung, wie ich immer wieder erfahre. Das Mastering der Tracks und auch der Mix sind ausgezeichnet, der Fan wird also wirklich schön bedient. Fans sollten zugreifen, solche, die es werden wollen ebenfalls. Und die Neuinterpretation des Bachklassikers „Bourée“ ist ganz groß! Anzumerken sei noch, dass dies keine reine Best Of Scheibe sortiert nach Weihnachtsaspekt ist. Es gibt ein paar neue Stücke (wie das wunderschöne Instrumental „A Winter Snowscape“ von Martin Barre) und die alten Songs wurden, wie angedeutet, neu eingespielt. Auch die Verpackung, von der Rückseite mal abgesehen (Kitsch!!!), ist sehr schön. Wunderbar retro!!!
„What I Really Want For Christmas” ist von keinem geringeren als Brian Wilson veröffentlicht worden und ist der Beach Boys Weihnachtsplatte auf jeden Fall vorzuziehen. Wilson ist in den letzten Jahren bekanntermaßen überkreativ wie in seinen besten Jahren, kongenial bewiesen durch seine Veröffentlichungen „Smile“ und „Lucky Old Sun“. Seine Stimme klingt fast so wie in alten Tagen, nur ist sie etwas rauer geworden, ich würde sie interessanter nennen. Neben Traditionals im typischen Wilson-Stil erwartet den Hörer auch einige Eigenkompositionen, die den Klassikern absolut ebenbürtig sind.
„Utra Lounge – Christmas Cocktail Vol.3“ ist eher für Cocktailpartys geeignet. Gleich der erste Song von Sammy Davis Jr. ist enorm enttäuschend, sollte aber nicht abschrecken. Es finden sich sonst nur tolle Aufnahmen auf der CD, wie Lena Horne, Bing Crosby (kennt eigentlich irgendwer irgendjemand, der Bing heißt?), Johnny Mercer uvm. Vol.1 ist um einiges grooviger geraten und auch Vol. 2 ist großartig. Nebenbei ist die Dean Martin Variante von „Baby It’s Cold Outside“ viel besser als die Sammy Davis Jr. Version.
„Joy“ von Jewel ist dann schon etwas peinlicher ausgerichtet (aber nur ganz leicht). Die Arrangements sind schön, aber Jewel klingt etwas überambitioniert. Trotzdem: Am heiligen Abend kann man das ganze durchaus hören. Mit der CD verhält es sich so, wie mit Ivan Rebroff. An jedem anderen Tag des Jahres wäre es peinlich ohne Ende.
„Music From The O.C.: Mix 3 – Have A Merry Chrismukkah” ist dagegen jederzeit hörbar. Nur eben nicht bei der Bescherung. Da wirken die Ravonettes, Rooney oder Jimmy Eat World irgendwie fehl am Platz.
Das „Christmas Album“ von meinem persönlichen „Trompeter des Herzens“ Herb Alpert ist vielleicht eine der schönsten Platten für den Weihnachtsabend. Wer immer schon mal „Jingle Bells“ im Tijuana Stil hören wollte, wird hier bestens bedient. Nein, das meine ich keineswegs ironisch, das Teil ist wirklich ausgesprochen schön.
Der Exot unter den Weihnachtsalben wird von Brian Setzer und seinem Orchester gestellt. „Boogie Woogie Christmas“ ist genau die Platte, die sich der 50er Jahre Fan wünscht. Yeah! Das Teil rockt ohne Ende, da kann sich sogar der O.C. Soundtrack noch ne Scheibe von Abschneiden. Bestens geeignet für Weihnachtspartys der besonderen Art!
Tja und wenn bei diesen tollen CDs nichts mit dabei ist, rate ich einfach mal zu ein paar alten Schallplatten zu greifen, die nicht unbedingt etwas mit Weihnachten zu tun haben. So eignet sich James Lasts „Russland Erinnerungen“ wirklich gut zum Feiern und gegen „Stairway To Heaven“ (zu finden auf „IV“) von Led Zeppelin gibt es bei der Bescherung auch nichts einzuwenden. Ansonsten zu empfehlen sind noch die Motown- oder Ella Fitzgerald Weihnachtsplatte und der Sampler von Last FM, der zwei tolle Isaac Hayes Songs beinhaltet. Und wer sie noch nicht kennt: Vince Gueraldi kommt mit „A Charlie Brown Christmas“ auch immer sehr gut an. Aber was soll‘s, wahrscheinlich muss dieses Jahr wieder Peter Alexander herhalten…
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Wer ich bin: Ich schreibe Bücher, forsche zur Massenkultur (Comics!), komponiere, liebe Musik & bin hoffnungslos franko-/italophil.
Woran ich glaube: Wir sollten im Leben danach streben, Narren zu sein. Immer auf der Suche, niemals am Ziel, von Neugier getrieben, mit offenen Augen, Ohren & Geist durch die Welt gehend.